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Chat Set ist eine neue TUSH-Serie, in der wir mit Artists am Set und hinter den Kulissen sprechen. In Los Angeles hat unser Editor-at-Large Fabian Hart den Make-up Artist Sil Bruinsma interviewt und mit dem in New York lebenden europäischen Kreativen über sein Verständnis von Schönheit gesprochen.
TUSH Magazine: Von Demi Moore bis Madonna – die Bandbreite an berühmten Personen, mit denen du arbeitest, ist beeindruckend. Was schätzen diese Persönlichkeiten an dir als Make-up-Artist so sehr?
Sil Bruinsma: Mein Kontext ist die Mode, das ist mein Background. Kreativität spielt für mich eine entscheidende Rolle. Der rote Teppich ist zu einer Art neuen Modenschau geworden, nur eben mit Stars und Prominenten. Ich könnte diese Persönlichkeiten einfach nur schön aussehen lassen, aber ich möchte gleichzeitig, dass sie auch cool, modern und zeitgemäß erscheinen. Ich denke, dass sie genau das zu schätzen wissen. Auf den roten Teppichen wird heute viel mehr Wert auf Kreativität gelegt als noch vor zehn Jahren. Darüber hinaus musst du natürlich auch ein guter Teamplayer sein.
TUSH Magazine: Du hast deine Karriere als Make-up-Artist in Amsterdam gestartet, dann bist du weiter nach Paris gezogen. Was hat dich letzten Endes doch nach New York City geführt?
Sil Bruinsma: Ich bin nach New York gezogen, weil dort natürlich die ganzen internationalen Fotografen und Models waren. Dort habe ich auch meinen Einstieg in die internationale Magazin-Welt geschafft und mit Fotografen wie Paola Kudacki und Inez & Vinoodh zusammengearbeitet. Seitdem war ich auch für das Make-up so vieler Modenschauen verantwortlich, habe oft für Thom Browne und auch mit dem niederländischen Designer Ronald van der Kemp gearbeitet.
TUSH Magazine: Du selbst bist ebenfalls Niederländer, ein Europäer. Diane Kruger, die Deutsche ist, erzählte mir einmal im Verlauf eines Interviews, dass sie in Los Angeles die Haare immer ein oder zwei Nuancen heller gefärbt bekommt, während die Frisöre und Hair-Artists in Frankreich einen eher dezenten Goldton wählen. Ist dein Verständnis von Make-up europäisch?
Sil Bruinsma: Ja. Ich lebe jetzt schon sehr lange in New York, und die Leute, mit denen ich am häufigsten zusammenarbeite, sind in der Regel selbst Europäer, die in NYC leben, oder sie sind Amerikaner, die sich weniger an die üblichen Beauty-Standards halten. Diese Schönheit in Perfektion, die in den sozialen Medien so populär geworden ist, ist sehr stark von der Ästhetik Los Angeles’ und Kaliforniens geprägt. Dieser Look ist wie Malen nach Zahlen: hier mehr Kontur und Schatten, dort mehr Licht und Highlights. So entstehen Gesichter, die alle irgendwie gleich aussehen. Der europäische Ansatz, oder zumindest das Prinzip der europäischen Mode, ist die Zurückhaltung. Ich möchte die individuelle Schönheit einer Person sehen. Du hast gerade Diane Kruger erwähnt, mit der ich auch schon gearbeitet habe. Ihr Gesicht hat so viel Charakter, und du kannst natürlich einfach nur jede Menge Lidschatten und Rouge verwenden, aber ich möchte ja nicht, dass sie aussieht wie alle anderen. Die innere Schönheit, das Persönliche, das möchte ich hervorheben und zeigen.
TUSH Magazine: Glaubst du, die Epoche des Contouring ist vorüber?
Sil Bruinsma: Ja, und ich glaube, das hat auch mit der Generation Z zu tun, dass sich diese Idee von Schönheit verändert, die sehr korrigierend und Makel ausmerzend ist. Es liegt Schönheit in einer schmalen Lippe! Schön ist auch eine natürliche Augenform, die nicht unter Tonnen von Fake Lashes verschwindet. Die Individualität hält wieder Einzug in die Beauty, und das ist etwas, das ich wirklich sehr schätze. Immerhin wollen wir uns doch unterscheiden und ganz verschiedene Formen von Schönheit sehen. Wenn ich den Look der Models für bestimmte Fashion-Shows entwerfe und dann vor Ort Make-up-Artists in meinem Team habe, die technisch wahnsinnig gut sind, kann es vorkommen, dass sie das Make-up, das ich als Demo entwickelt habe, fast schon zu perfekt umsetzen, mit einer so erstaunlich ruhigen Hand, dass ich denke, dass ich selbst diese ruhige Hand gar nicht habe, um das so umzusetzen. Es wirkt auf mich dennoch zu klinisch, zu künstlich …
TUSH Magazine: … zu KI vielleicht? Zu künstlich und technisch?
Sil Bruinsma: Genau. Wenn alles perfekt ausbalanciert und penibel präzise ist, dann verliert es an Seele. Die Perfektion hat nichts Poetisches und nichts Lebendiges. Das sieht dann alles aus wie direkt vom Fließband, und es hat keinen Charakter. Wenn ein Make-up zu perfekt wird, dann sage ich meinem Team immer, sie sollen etwas Vaseline auf den Lidschatten geben oder mit einem Wattestäbchen darum kreisen, damit es etwas ausbricht und dadurch lebendiger wirkt. Das muss atmen können!
TUSH Magazine: Mein Gepäck ist auf der Reise von Hamburg hierher nach Los Angeles verloren gegangen, also entschuldige bitte meine nächste Frage: Welche vier Beauty-Produkte würdest du dir als Erstes kaufen, würde dein Equipment-Koffer vor einem Job verloren gehen?
Sil Bruinsma: Das hängt natürlich ganz von dem Look des Briefings ab, der geschminkt werden soll. Aber ich denke, ich würde auf jeden Fall den MAC Eye Kohl Smolder kaufen, ein klassisches Schwarz. Dann den Clé de Peau Concealer für eine wunderschöne Haut. Außerdem würde ich mir den „The Multiple“-Stift von Nars nachkaufen, und zwar in der Farbe „Copacabana“ für eine Haut wie von der Sonne erwärmt. Außerdem bräuchte ich noch einen perfekten roten Lippenstift, denn den kann man dann für alles mögliche verwenden. Den YSL Rouge Pur Couture Slim in #1 Rouge Extravagant benutze ich wirklich sehr oft.
TUSH Magazine: Und welche Produkte verwendest du privat für dich oft?
Sil Bruinsma: Das ist sehr einfach: Ich verwende schlichtweg CeraVe.