Von Musik gezeichnet

Digitale Leinwände und Popkultur: Wie Keely ‚poi‘ Majewski starke Charaktere mit femininer Energie erschafft

Interview LAURA DUNKELMANN

Ein wenig aufgeblasen und auch verzogen sind ihre Figuren schon – sowohl in der Optik als auch Attitüde: Wie aus Ballons geformt, prall und glänzend, räkeln und sitzen die meist weiblich gelesenen Charaktere von Keely „poi “ Majewski auf Kunstprints, Merchandiseartikeln von Künstler:innen, Plakaten, in Magazinen und in den sozialen Medien. Die in Florida lebende 3D-, Mixed-Media-Künstlerin und Digitalillustratorin verbindet Lieblichkeit mit Stärke, denn so puppig ihre Charaktere auch wirken, sie alle haben einen kämpferischen, aufsässigen, alienartigen Ausdruck. Zwar wirken sie durch ihre langen Wimpern, Kurven und ihre Kleidung äußerst feminin, diese überzogenen Merkmale pendeln aber zwischen Satire auf Rollenbilder und Hom- mage an Weiblichkeit. Es sind keine Klischeespiegel, in denen sie reflektiert.

Bereits als Teenager zeichnet Poi, später studiert sie Kunst. Nach dem Abschluss greift sie zunächst aber nur als Autorin zum Stift. Sie gründet ihr eigenes Magazin und beginnt als Journalistin, vor allem Musiker:innen zu porträtieren und zu interviewen. Erst mit Beginn der Coronapandemie widmet sie sich wieder dem Zeichnen und experimentiert mit 3D-Kreationen und entwickelt ihren plastischen Stil.

Schnell werden ihre futuristischen Superpuppen auf Social Media populär. Die Nähe zur Musik bleibt: Für Rosalía, Chow Lee oder Melanie Martinez illustriert sie Merchandise-Visuals, Cover-Artworks und Poster. Ihr Hintergrund im Storytelling zeigt sich in der feinen Ausarbeitung ihrer Figuren. Schon auf den ersten Blick scheint jede eine eigene Geschichte zu erzählen, und auch wenn ihre Gestalten glatt wirken, sind ihre tiefgründigen Charaktere spürbar. Im Interview mit Editorial Director Laura Dunkelmann spricht die Künstlerin über ihre Verbindung zur Musik und zu ihren eigenen Figuren.

Wie viel steckt von dir selbst in deiner Kunst?

Meine Gefühle spielen eine entscheidende Rolle in meinen Bildern. Ich habe erst in den letzten Jahren meine Leidenschaft für die visuelle Kunst wiederentdeckt und habe aber auch sehr viel an mir selbst gearbeitet. Das Selbstbewusstsein, das ich mir erarbeitet habe, ist auch in meiner Kunst sichtbar.

Deine Kunst hat eine starke feminine Energie, nimmst du dich auch mal Männern an?

Ich habe eine starke Verbindung zur femininen und nichtbinären Energie, deshalb ist das der Fokus meines kreativen Ausdrucks. Einige wenige Male habe ich aber auch schon männliche Charaktere entwickelt. Ich möchte eine große Vielfalt an Menschen abbilden und bin für alle offen. Die Herausforderung, einen Mann zu malen, nehme ich also gerne an.

Basieren deine Kreationen auf existierenden Menschen oder erfindest du Charaktere?

Ich liebe es, Charaktere zu erfinden. Ich mache auch manchmal Fan-Art, da geht es dann konkret um eine Person. Aber sonst gehören alle Figuren mir. Sie sind wie Verlängerungen meiner Persönlichkeit. Bevor ich anfange zu malen, habe ich immer ein Ziel im Kopf. Meist ist es ein Thema oder Interesse, das mir den Anstoß gibt, bevor ich daraus einen Charakter baue. Es hat viel damit zu tun, wie es mir in dem Moment geht, was mich vielleicht runtergezogen hat, aber auch, was mir Spaß gemacht hat. Ich achte auf alles, was um mich herum passiert, und suche ständig nach Informationen. Zusammen mit meiner jeweiligen Stimmung wird alles dann zu einer unerschöpflichen Inspirationsquelle. Ich erlaube mir auch eine gewisse Spontanität, so bleibt es immer spannend.

Du hast eine starke Verbindung zur Musik, warst selbst Musikjournalistin und arbeitest heute für Größen wie Rosalía. Auch deine Charaktere wirken oft wie Popstars – was bedeutet dir Musik?

Ich hatte sehr mit Einsamkeit und Depressionen zu kämpfen, Musik hat mir dabei immer geholfen, wieder ins Hier und Jetzt zu finden. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Sounds, ich finde das super spannend. Genau wie es mein Ansporn ist, Kunst zu kreieren, habe ich den Drive, Musik zu entdecken. Ich weiß, dass ich mich auf Musik verlassen kann und sie immer für mich da sein wird. Ich habe auch schon mal versucht, selbst Musik zu machen und Cello spielen gelernt. Banjo würde mich auch reizen, aber mit der Koordination habe ich es nicht so … (lacht)

Inwiefern unterscheidet sich deine Arbeit mit Musiker:innen von deinen freien

Kreationen?

Glücklicherweise ist das beides sehr ähnlich. Ich liebe es, mit anderen Künstler:innen zusammen- zuarbeiten, speziell aus der Musik. Gerade bei diesen Personen recherchiere ich viel und das ist auch mein Lieblingsteil der Arbeit. Ich mixe dann kleine Andeutungen an ihre künstlerische Vergangenheit dazu. Das Gefühl, wenn sie diese Referenzen schon in den ersten Entwürfen er- kennen, ist großartig!

Welche Musik läuft bei dir, wenn du arbeitest – oder ist es dann leise?

Es läuft immer Musik! Ob „I Camaleonti“, meine Lieblings-Italo-Popband aus den 1970ern oder Musik mit den fantastischen Texten von Smino. Ich habe vor ein paar Jahren ein kleines Spiel entwickelt: Ich wähle zufällige Worte und suche dann Künstler:innen oder Songs, von denen ich noch nie gehört habe, in denen diese Worte dann vorkommen. Das höre ich mir an, ziehe aus den Texten eine Phrase und suche damit weiter – so habe ich die beste Independent-Musik gefunden!

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