Amber Valletta wearing a suit, photographed by Craig McDean for Interview Magazine , July 2014 , Photo Craig McDean/Art+Commerce, model Amber Valletta

Die Ausstellung „Fashion & Interiors. A Gendered Affair“ im MoMu Antwerpen zeigt: Design hat ein Geschlecht, in der Mode wie im Raum

Vom 29. März bis zum 03. August 2025 erkundet die Ausstellung im ModeMuseum Antwerpen warum der Bauhaus-Stuhl ein Mann und die Rüschenbluse eine Frau ist

Rich ard Malone (left) & Patty Carroll in Fashion & Interiors. A Gendered Affair at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2025, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Fashion & Interiors. A Gendered Affair at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2025, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

„Es wäre doch spannend, sich den Zusammenhang zwischen Mode und Interieur näher anzuschauen. Ich war überrascht, dass es dazu noch nie eine Ausstellung gab. Also habe ich gedacht: Dann machen wir das jetzt!“, so Kuratorin Romy Cockx.
Mode hat sich längst von binären Geschlechtergrenzen gelöst. Labels wie Ann Demeulemeester, Ludovic de Saint Sernin oder Jan-Jan Van Essche zeigen, dass man Mode für Körper und nicht für Kategorien entwerfen kann. Doch während in der Modebranche klare Geschlechterzuschreibungen verschwimmen, bleibt das Interieur konservativ und irgendwie stur.

Warum würden wir einen rosafarbenen Raum mit Rüschenkissen intuitiv als feminin und eine minimalistische Wohnung in Grautönen und mit Stahlmöbeln als maskulin bezeichnen?

Warum ordnen wir Stoffen, Farben und Materialien ein Geschlecht zu?

Die Ausstellung „Fashion & Interiors. A Gendered Affair“ im Mode Museum Antwerpen geht genau diesen Fragen auf den Grund und erkundet, wie Mode und Interieur nicht nur persönlichen Stil ausdrücken, sondern auch Geschlechterbilder formen, bestätigen oder eben aufbrechen. Zwischen historischen Korsetts, modernen Rauminstallationen und Entwürfen von Martin Margiela und Raf Simons entsteht ein Bild davon, wie Gender und Design miteinander verknüpft sind. Dabei wird klar: Ein Stuhl ist nie nur ein Stuhl. Das Design lässt uns tief in unsere eigenen Vorstellungen über Gender blicken.

TUSH hat sich die Ausstellung gemeinsam mit Kuratorin Romy Cockx angesehen, um anschließend ein Gespräch über Lieblingsstücke und die Relevanz des Themas zu führen.
Romy erklärt: „Ich wollte eine Ausstellung zum Thema Interieur machen. Ich habe angefangen viele theoretische Texte zu lesen und mich daraufhin gefragt: Wann sind Mode und Interieur so eng zusammengekommen? Ich habe mehr über das 19. Jahrhundert gelernt und war von der Vorstellung gefesselt, dass Frauen damals fast wie Möbel behandelt wurden. Der Kleidungsstil und die Einrichtung gingen Hand in Hand. Ich wollte wissen, wie sich das Ganze bis heute weiterentwickelt hat.“

Alfred Stevens, The Visit , before 1869, oil on canvas, Dallas Museum of Art, gift of the Pauline Allen Gill Foundation , Image Courtesy Dallas Museum of Art
George s Lepape, plate f ro m the a lbum Les Choses de Paul Poiret vues par Georges Lepape , 1911 , © Diktats Bookstore

Im 19. Jahrhundert hatten Frauen nicht nur die Aufgabe, ihren eigenen Körper mit Stofflagen, Stickereien, Rüschen und Spitze zu verzieren, sondern auch das Zuhause dementsprechend zu gestalten. Kissen, Vorhänge und zarte Deko-Objekte vermittelten Status und Stil der Familie. Die Dekoration des eigenen Aussehens war eng mit der Herrichtung des Raums verknüpft. Ohne es bewusst zu merken, verschmolz die Frau mit dem Interieur und wurde ein Teil davon – in ihrer Rolle, ihrer Funktion, in ihrer Erscheinung. Zwischen Drapieren und Deko wurde sie selbst zum Einrichtungsgegenstand.
Dieses Konzept wurde von männlichen Künstlern und Designern wie beispielsweise dem belgischen Architekten Henry van de Velde aufgegriffen und weitergeführt. Sie begannen Frauenkleidung zu entwerfen, die in ein ästhetisches Ganzes passen sollte. Architektur, Möbel und Mode: alles sollte miteinander harmonieren und ein Gesamtkunstwerk bilden. Männer gestalteten ein Ideal für Frauenkleidung, welches weder weibliche Bedürfnisse noch Wünsche berücksichtigte.

Lilly Reich, leather, teak and ste el daybed No. 258, designed in 1930, produced by Knoll (as ‘Barcelona Daybed’ under Ludwig Mies van der Rohe), 1960s in Fashion & Interiors. A Gendered Affair at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2025, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

Der Gegenentwurf kam mit der Moderne und Designern wie Adolf Loos, Le Corbusier oder der deutschen Designerin Lilly Reich. Sie lehnten Dekor als überflüssig ab, in der Architektur genauso wie in der Mode. Im Fokus standen Funktionalität, Klarheit und Reduktion wie beispielsweise beim „Barcelona Day Bed“ von Lilly Reich.
„Das „Day Bed“ würde ich am liebsten selbst haben! Man kann sich draufsetzen, ein Nickerchen machen… und es ist über 100 Jahre alt, aber wirkt immer noch sehr modern“, so Kuratorin Romy Cockx. Doch auch hier war die Gestaltung nie frei von Geschlechterzuordnungen: Die weiblich verordnete Verspieltheit galt als „unmodern“, wohingegen man das Männliche mit Rationalität und Fortschritt gleichsetzte.

„Ich habe versucht, auch Männermode mit in die Ausstellung einzubeziehen. Die Architekten von früher sagten: Männermode ist modern, Frauenmode ist „modisch“. Sie haben Frauenmode kritisiert, weil sie sich so schnell verändert.“

Wie tief unsere Vorstellungen von „weiblich“ und „männlich“ in Materialien, Farben und Formen verankert sind, wird besonders deutlich, wenn man sich die Gegenwart ansieht.
Die exklusive Installation von Maison Margiela ist ein Beispiel dafür, wie eng Körper und Raum auch heute noch zusammenhängen. Nähte sind nach außen gekehrt, Silhouetten aufgelöst und die Kleidung verliert ihren dekorativen Charakter. Fast wie ein Möbelstück, das getragen wird. Der Körper wird nicht mehr geschmückt, sondern distanziert betrachtet.
Auch die Arbeiten von Ann Demeulemeester zeichnen sich durch zurückhaltende Farbwahl, reduzierte Formen und fließende Silhouetten aus. Weder feminin noch maskulin, sondern irgendwo dazwischen.

„Es ist wie ein Puzzle, das man zusammensetzt – man hofft einfach, dass man alle Teile zusammenbekommt.“

Vielleicht ist unser Geschmack gar nicht so individuell und frei von Rollenzuschreibungen, wie wir glauben. Das Sanfte gehört der Frau, das Funktionale dem Mann. Dekoration gilt als weiblich, Struktur als männlich. Auch wenn wir heute durch Social Media, Popkultur und gesellschaftliche Themen bewusster mit dem Thema Gender umgehen, ist es schwer, sich von diesen Zuschreibungen zu lösen.

Gender ist ein Farbton. Eine Textur. Ein Sofa, ein Stoff, ein Kleid. Es steckt in unserer Einrichtung und in unserem Kleiderschrank. Vielleicht nicht bewusst und nicht plakativ, aber in den kleinen Details. Die Ausstellung „Fashion & Interiors. A Gendered Affair“ zeigt uns, dass Räume genauso viel erzählen wie Körper. Auch wenn Gender kein starres Konzept mehr ist, sollten wir genauer hinsehen und aufmerksam sein. Denn genderless Fashion und Living ist kein Trend, sondern das Entlernen alter Muster. Erst wenn wir erkennen, wie tief Geschlechterrollen in Farben und Textil verankert sind, können wir sie wirklich hinterfragen, aufbrechen und uns schließlich davon befreien.

Adolf Loos in Fashion & Interiors. A Gendered Affair at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2025, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

April 2, 2025
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