Stella Bossi war plötzlich da. Der Erfolg kam über Nacht – wie für eine DJ nun mal so üblich. Bekannt wird sie aber zunächst nicht für ihre Musik, sondern ihre Videos – ihr Erstling: sie, vorm Berliner Club Kater Blau tanzend, als würde ihr niemand zusehen. Zugesehen hat man ihr dabei dann aber doch. Millionenfach auf Social Media. Mittlerweile hat die Berlinerin auch hinter dem Mischpult einen großen Namen und ist auf sämtlichen Festivals zu Hause. Als Produzentin hat sie ihr eigenes Plattenlabel „The Beat Must Fuck“ gegründet und der Name ist Programm. Auf unsere Frage, ob sie glaube, dass viele ihrer Follower vielleicht eher Fans ihres Lifestyles sind statt ihrer Sets, antwortet sie: „Da müsst ihr schon meine Follower fragen.“ Da dies bei 1,1 Millionen ein eher schwieriges Manöver wäre, haben wir uns gegen ein Interview mit ihren Followern entschieden und sind einfach bei ihr geblieben …
Mit welcher Musik bist du aufgewachsen?
Seitdem ich denken kann, liebe ich Musik, und als Kind habe ich immer mit meiner Mama zu Hause getanzt – zu Madonna, Britney Spears, Eiffel 65 und Daft Punk. Songs von Eminem waren auch dabei. Wir haben das gefeiert. Das hat meine Leidenschaft für Musik schon sehr geprägt, und es sind wirklich wertvolle und schöne Erinnerungen, die ich mit meiner Mama teile.
Peggy Gou, Ellen Allien, Honey Dijon, Miss Kittin – gibt es Produzentinnen und DJs, die für dich Identifikationsfiguren sind?
Ich habe schon immer zu Frauen aufgeschaut, die etwas bewegt haben. Egal ob sie in der Politik, in der Modewelt, in der Musikbranche oder in meinem privaten Umfeld aktiv waren – deren Engagement und Erfolge haben mich tief beeindruckt. Diese Frauen haben in mir eine große Anziehungskraft und Bewunderung ausgelöst, vor allem weil sie sich in einer von Männern dominierten Welt durchgesetzt haben. Es war und ist immer noch selten, starke weibliche Vorbilder zu sehen, und genau das macht ihren Einfluss auch so bedeutsam.
An deinem Leben auf Tour können wir alle durch Social Media teilhaben. Wie sieht deine Arbeit im Studio aus?
Erregend, frustrierend, nervenaufreibend, ekstatisch und stets unvollendet. An manchen Tagen ist man im Flow, jeder Handgriff sitzt und alles ist super. Dann gibt es aber auch Tage, an denen gar nichts funktioniert und es sich so anfühlt, als sei die Kreativität aufgebraucht und nichts hört sich gut an. Doch genau diese Herausforderung treibt mich an. Ich liebe es, mein Team und mich bis zum Maximum zu triezen. Dieses Wechselspiel zwischen Höhen und Tiefen sorgt dafür, dass wir immer unser Bestes geben. Es ist ein Prozess, der uns ständig an unsere Grenzen bringt, aber auch darüber hinauswachsen lässt. Vielleicht wird es bald eine Dokumentation darüber geben, wer weiß …
Social Media haben sich zu Bewegtbild-Plattformen entwickelt, was zu einem erhöhten Bedarf an Sounds führt, die Videos entweder untermalen oder ihnen
dabei helfen sollen, viral zu gehen. Wie haben TikToks und Instagram-Reels die Art und Weise beeinflusst, wie Musik produziert wird?
Von Grund auf, würde ich sagen. Aber ich sehe in Veränderungen immer auch Chancen. Früher hat die Industrie bestimmt, welche Musik gehört wurde. Heute können wir uns selbst aussuchen, was wir hören. Musik, die gefällt, findet ihren Weg zum Hörer. Die Artists von heute haben die Möglichkeit, ihre Musik direkt an die Menschen zu bringen, ohne auf traditionelle Gatekeeper angewiesen zu sein. Das eröffnet unglaubliche Freiheiten und Chancen, bedeutet aber auch, dass man sich selbst um alles kümmern muss – von der Produktion über das Marketing bis hin zur Interaktion mit den Fans. Diese neue Dynamik der Musikindustrie hat die Spielregeln komplett verändert. Das Beste daran ist: Jeder hat die Chance, gehört zu werden – doch um aus der Masse hervorzustechen, muss man dafür aber auch richtig hart arbeiten.
Du selbst bevorzugst zu schweigen, auch dieses Interview führen wir schriftlich. Möchtest du dich damit mystifizieren, ist es Selbstschutz, ein Statement zu einer Zeit, in der vermeintlich alle etwas zu sagen haben, oder einfach nur ein Ausgleich zu deinem lauten Lifestyle? Welche Taktik verfolgst du damit?
Es wird sowieso viel zu viel geredet und daher ist meine Devise „Lieber machen als quatschen“. Bisher habe ich geschwiegen, doch bei meinem nächsten Track „Licky“ werde ich meine Stimme in all ihren Facetten zeigen. Es ist an der Zeit, dass die Leute mich „hören“, und ich freue mich darauf, diese Seite von mir zu zeigen.
Sonnenbrillen sind dein Markenzeichen, du trägst sie nach eigenen Angaben auch bei deiner Familie zu Hause am Tisch. Warum repräsentiert dich die Idee des konstanten Tragens von Sonnenbrillen so sehr?
Immer wenn ich aus dem Club gestolpert bin, habe ich eine Sonnenbrille getragen. Mein allererstes Video habe ich auch mit Sonnenbrille gedreht. Sonnenbrillen machen jeden Look ein bisschen interessanter. Sie sind cool und haben eine Schutzfunktion. Ich trage einfach gerne Sonnenbrillen und finde sie geil.
Welcher Look war heute dein Favorit?
Definitiv der Shot mit den drei Händen und der „schiefen“ Sonnenbrille. Dieser Moment spiegelt mich gut wider. Ganz nach dem Motto: „Wenn alle an dir zerren und rütteln, dann gibt es vielleicht mal einen Knick in der Optik, aber im Kern lasse ich mich nicht verbiegen.“
Die schiefe Sonnenbrille symbolisiert für mich, authentisch zu bleiben und sich nicht von den Umständen aus der Ruhe bringen zu lassen.