Zwischen Verhüllung und Offenbarung: Masken und Make-up als Spiegel unserer Wünsche und Ängste

Genieve Figgis in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

Vom 28.09.2024 bis zum 02.02.2025 schafft die multimediale Ausstellung „Maskerade, Make-up & Ensor“ im ModeMuseum Antwerpen einen Dialog zwischen historischen Werken des belgischen Malers James Ensor und zeitgenössischen Make-up Künstler*innen wie Inge Grognard, Peter Philips und Lucy Bridge.
TUSH durfte neben der Ausstellung am exklusiven MoMu Talk mit Inge Grognard teilnehmen und der Make-up Artistin beim Gespräch über Inspiration, Motivation und ihrer Zusammenarbeit mit den Antwerp Six zuhören.

Martin Margiela & Inge Grognard in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Thomas de Kluyver and Harley Weir, Shibuya, in All I Want to Be, 2019, © Photo: Harley Weir, Model: Marimo
Harley Weir in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Julien d’Ys in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Sketchbook Julien d'Ys for Comme des Garçons Spring-Summer 2002, © Julien d'Ys
Peter Philips make-up for Alexander McQueen Autumn-Winter 2009-2010, © Photo: Robert Fairer
– Cyndia Harvey & Christian Lacroix – Miss Havisham in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Julien d’Ys in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Inge Grognard & Casper Sejersen in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
Walter Van Beirendonck in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen
MoMu Talks with Inge Grognard

Der menschliche Wunsch nach Verwandlung ist zeitlos.

Zeremonielle Maskenrituale in der Antike, Schminktechniken des Barocks zur Symbolisierung des eigenen Wohlstandes und Abgrenzung bestimmter Subkulturen von gesellschaftlichen Normen durch auffälliges Styling. Make-up entwickelte sich über Jahrhunderte zu einer Ausdrucksform, die unsere intimsten Wünsche offenbart und zugleich ein Schutzschild gegen die Welt bildet.

Wer sind wir wirklich, und wie möchten wir, dass die Welt uns wahrnimmt?

James Ensor in © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

Schwarze Vorhänge mit grün-glitzernder Rückseite eröffnen das Spiel zwischen Verhüllung und Offenbarung und lassen uns in die bunten Malereien von James Ensor eintauchen. Bereits im 19. Jahrhundert kritisierte der belgische Künstler die Maskerade seiner Mitmenschen. Er durchschaute ihre Unsicherheiten und lässt durch seine Maskenbilder einen Blick hinter die scheinbare Perfektion werfen.

Ensor erkannte, dass die getragenen Masken eine Dualität aufweisen. Zum einen erzählen sie Lügen, indem sie Unsicherheiten kaschieren und eine vermeintlich makellose Version unserer Selbst zeigen. Zum anderen enthüllen Masken gerade dadurch unsere tiefliegenden Ängste und Wünsche sowie das Bedürfnis nach Anerkennung durch unser Umfeld.

Julien d’Ys in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

Die Ausstellung übersetzt diese Zwiespältigkeit in die Gegenwart und zeigt, wie sie in Werken heutiger Künstler*innen, Make-up Artists und Haarstylist*innen zum Ausdruck kommt. Besonders im Kontext aktueller Schönheitsideale und einer Industrie, welche durch vermeintliche Imperfektionen der Menschen ihr Geld verdient, steht die reflektierte Auseinandersetzung mit dem Selbstbild im Mittelpunkt.

Make-up ist nicht mehr nur einfache Verzierung und Verschönerung, sondern künstlerische Selbstinszenierung.

Issy Wood in © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

Beim Anblick der Selbstporträts der Künstlerin Issy Woods fällt auf, dass sie sich bewusst ungeschminkt, gekleidet in Kapuze und mit einer Gesichtsmaske zeigt. Diese Inszenierung erlaubt Woods, die Kontrolle über ihr Bild nach außen zu bewahren und sich dem direkten Blick zu entziehen. Einerseits kaschiert sie dadurch Unsicherheiten, andererseits offenbart sie aber gerade damit ihre Verletzlichkeit. Die amerikanische Künstlerin nutzt die „Maske“ als spielerischen Umgang mit der Ambivalenz von Make-up und ihrer eigenen Beziehung zu Selbstdarstellung.

Cindy Sherman, Untitled #359 & #360 in © MoMu Antwerp, Photo: Stany Dederen

 

 

 

 

Auch die beiden Fotografien von Cindy Sherman setzen sich mit Identität und Selbstinszenierung auseinander. Bekannt für ihre Verwandlung in verschiedene Charaktere, setzt sich Sherman mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Normen auseinander. Make-up dient in ihren Arbeiten als Werkzeug zur Täuschung und legt offen, wie Identität durch äußere Hülle gleichermaßen versteckt und sichtbar gemacht wird.

"Make-up ist etwas Psychologisches"

Make-up by Inge Grognard for Jurgi Persoons, Spring-Summer 2003, © Photo: Ronald Stoops
Inge Grognard in collaboration with Ronald Stoops, 2001, © Photo: Ronald Stoops
Inge Grognard in collaboration with Ronald Stoops, V Magazine, 2001, © Photo: Ronald Stoops
Inge Grognard in collaboration with Ronald Stoops, 'Postpunk' in View On Colour Magazine, 2000, © Photo: Ronald Stoops
Inge Grognard's first inspiration book, © Photo: Stany Dederen

Die Make-up Artistin Inge Grognard geht mit ihren Looks an die Grenzen dessen, was als „Schönheit“ wahrgenommen wird. „Ich interessiere mich nicht für Trends. Man muss mit offenen Augen durch die Welt gehen und Dinge suchen, die einen etwas fühlen lassen“, so Grognard. Asymmetrische Formen und extreme Farben sorgen nicht für eine idealtypische Verschönerung. Das Gesicht wird zur Leinwand und Make-up zur künstlerischen Ausdrucksform zwischen Verwandlung und Authentizität.

Éamonn Freel & Lynski in Masquerade, Make-up & Ensor at MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2024, © MoMu Antwerp, Video: Lisa Hallupp

Make-up und Masken haben die Fähigkeit sowohl Lüge als auch Wahrheit gleichermaßen darzustellen. Sie bieten die Möglichkeit sich zu verändern, mit der eigenen Identität zu experimentieren und eine Wunschvorstellung nach außen zu tragen. Ob damals oder heute enthüllt jeder Pinselstrich und jede Farbe eine Reflexion über den Wunsch und das Bedürfnis, sowohl zu entfliehen als auch sich zu zeigen.

Das Spiel zwischen Realität und Wunschvorstellung wird in Zeiten von Filtern und unrealistischen Idealbildern relevanter denn je zuvor und fordert die intensive und kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Dasein und gesellschaftlichen Konventionen.

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