TUSH: Wie wichtig ist es für euch, in einer Zeit, in der eure Karrieren, Popularität und Reichweiten weiter wachsen, Raum für die eigene Nische, den eigenen alternativen Standpunkt zu bewahren?
Arca: Es ist mir wichtig, mir meinen Freiraum zu bewahren, denn so kann ich mich diesem Autopiloten an Erwartungen entziehen, dem Kunstschaffende und ihre Arbeit unterworfen sind.
Caroline: Der einzige Weg, etwas Bedeutungsvolles zu tun, ist, spezifisch zu sein. Ich habe diese beiden Aspekte nie als Gegensätze gesehen.
TUSH: Habt ihr jemals die Sorge gehabt, zu populär zu werden?
Arca: Die Sorge ist eine Angst, die so weit von dem entfernt ist, woran ich denke. Ich sehe Popmusik als eine kulturelle Form der Vermittlung von Ideen.
Caroline: Zum Glück weiß niemand, wie Pop im Jahr 2024 aussieht oder klingt, warum sollte ich mir darüber also Sorgen machen?
TUSH: Gibt es ein bestimmtes Ritual, das die Kraft hat, euch jeweils in eure Bühnenpersönlichkeit zu versetzen, etwas, das euch dazu antreibt, euch auf euer Publikum einzulassen und mit ihm in Kontakt zu treten?
Arca: Der Make-up-Stuhl und dieser Haar- und Glam-Moment kommt schon einer Art Metamorphose gleich.
Caroline: Die Musik und die Energie des Publikums sind mehr als genug. Ich habe keine Persona, und deshalb ist es vielleicht auch nicht nötig, mich zu verwandeln.
TUSH: Welche anderen kreativen Ausdrucksformen haben einen großen Einfluss auf eure Musik?
Arca: Videospiele und der damit verbundene Katalog an inspirierenden Inhalten, Archetypen und Geschichten, die ich durch unterschiedliche Videospiele kennengelernt habe, haben meine Weltanschauung geprägt. Das hat meine Kunst ebenso beeinflusst wie Musik und Film.
Caroline: Spazierengehen, Träumen, sich morgens anziehen.
TUSH: Clubbing und Konzertbesuche haben auch eine eskapistische Tendenz, sie können geradezu eine Form von Widerstand und Therapie sein. Gibt es einen Moment, der dies für euch als Künstlerinnen, aber auch als Club-/Konzertbesucherinnen verkörpert?
Caroline: Ich werde nie Evian Christs Show auf dem Primavera-Festival 2022 vergessen. Es war die erste Festivalsaison nach der Pandemie, so dass alle wie entfesselt waren, und er füllte den Raum mit so viel dichtem Nebel, dass wir nicht einmal unsere Hände vor unserem Gesicht sehen konnten. Die Stroboskope bildeten psychedelische Muster und die Musik war so laut, dass man sie nicht wirklich hören, sondern nur spüren konnte. Im Club gab es überhaupt keine Luft, und alle waren schweißgebadet, aber keiner von uns ging vor dem Ende des Sets an die frische Luft, weil die Erfahrung zu schön war.
Arca: Für mich geht es weniger um einen einzelnen Moment, in dem Club-Räume eine Form des politischen Widerstands und Protests verkörpern. Ich würde eher sagen, dass es vielmehr damit zu tun hat, dass du auf der Tanzfläche in einen Zustand der Glückseligkeit gerätst, wenn du gemeinsam mit anderen ein ästhetisches Verständnis für eine Party- oder Musikszene teilst. Das ist der Antrieb für neue Verbindungen und Projekte, die sich rhizomatisch innerhalb jeder lokalen Szene entwickeln.
TUSH: In diesem Jahr feiert H&M zwanzig Jahre Design-Kooperationen mit legendären Designern. Wenn du die Kreativdirektorin einer Club-Kollektion wärst, welches Outfit wäre unverzichtbar?
Caroline: Für mich bedeutet der ideale Club-Look, dass man ohne Tasche und ohne Garderoben-Marke auskommt, also würde ich wahrscheinlich eine Cargo-Jacke entwerfen, die um die Taille gewickelt toll aussieht …