AMOR RÊVE TIME

Leinwand neben der Mann mit Afro steht

Samuel de Saboia hat sich mit seiner traumhaften Kunst der Liebe verschrieben. Wurde Zeit, dass er mit Comme des Garçons gemeinsame Sache macht

 

 

 

Eine abgelegene Bucht, ein offener Pavillon, dessen Decke und Wände bunt und exzessiv mit abstrakten Figuren bemalt sind: davor Samuel de Saboia, im Sand sitzend – bereit für unser Interview. Mehrere Wochen hat der 24-jährige Künstler hier an seinem neuen Werk Dreamland gearbeitet, eine temporäre Installation mit unbestimmt langer Laufzeit. Sie gehört zu der Kooperation mit Comme des Garçons, die auch eine Kampagnen-Inszenierung beinhaltet. In Paris, Zürich und in seinem Heimatland Brasilien hat der in Recife aufgewachsene Mixed- Media-Künstler bereits ausgestellt. Thematisch triste Töne von Tod bis Trauer schlägt er mit strahlenden Farben an, macht auf die komplizierte, von Diskrimi- nierung geprägte Historie und Gegenwart Brasiliens aufmerksam. Dabei dreht er die Schwermut visuell in eine Feier des Positiven; egal ob es um kleine oder große Errungenschaften in seinem persönli- chen Leben oder in der Gesellschaft geht. Diese Balance aus Bedeutung und Tiefgründigkeit, gepaart mit lebensfreudiger Ästhetik, verleiht ihm selbst und seinem Werk enorme Anziehungskraft – auch in der Mode- und Beautywelt. Für die brasilianische Vogue gestaltete er bereits ein Cover. Magisch erscheint jetzt auch der lebendig bemalte Pavillon zwischen Klippen und Meer, Beach und Busch. Im Mittelpunkt der neue „Comme des Garçons“-Duft Zero. Lediglich auf einem kleinen Holztisch inszeniert, verkörpert er eine Art Ruhepol inmitten de Saboias so expressiver Welt. Das Parfüm selbst ist eine Art Canvas, minimalistisch, pur, clean und conscious produziert, fungiert es auch als Brücke zu de Saboias Werten und Wirkung: Er selbst, seine Persönlichkeit und seine Malerei können einen Raum einnehmen, verschmelzen aber gleich- zeitig mit der Umgebung. Eine Fusion, eine Symbiose, die auch mit Zero, dem Duft, gelang.

WAS IST DEINE VISION ALS KÜNSTLER?

Ich habe meinen Leitfaden: ART. A steht für „Amor“, R für „Rêve“ – was so viel wie Fantasie, Traum bedeutet – und T für „Time“ – Danach richte ich alles aus, was ich tue. Ich muss lieben, was ich tue, und auch geliebt werden, ich brauche Träume und dann Zeit, um Dinge aufzusaugen, zu kanalisieren, dann zu kreieren und sie auch zu feiern! Auch das Feiern ist wichtig für mich! Ich bin schwarz, indigen, queer und Immigrant, ich verdiene es. Es haften einem so viele Labels an und die sind oft mit Tragödien verbunden, deshalb muss ich zeigen: Schaut her, das gibt es auch!

WELCHE ROLLE SPIELT DER ORT FÜR DEINE KREATIVITÄT?

Für mich ist es wichtig, eine Verbindung zu dem Ort aufzubauen, bevor ich mit meiner Kunst starte. Es ist, als würde ich Punkte verbinden und nicht nur mich, meine Seite zeigen, sondern einen Link zu der spiri- tuellen Welt, die mich umgibt, herstellen. Einerseits ist das die Natur, die Lebewesen und die Menschen, aber auch die Energie um mich herum. Ich habe das Bedürfnis, auch dafür Platz zu machen. Ich möchte nicht einen Ort übernehmen, sondern lasse mich leiten. Ich habe schon direkt in Museen gemalt und in meinen Studios, in Zürich, Paris, Brasilien.

WIE ENTSTAND DEINE VERBINDUNG ZUR KUNST?

Mit etwa sieben Jahren habe ich verstanden, was um mich herum passiert, wie meine Familie funktio- niert und wie das meine Emotionen beeinflusst. Ich bin in Brasilien aufgewachsen, bin indigen, meine Eltern sind beide Prediger in einer Baptistenkirche. Mit 17 habe ich meine Heimatstadt verlassen. Ich bin ein Entdecker und sehr neugierig. Ich habe also sehr jung begonnen, und meinen Eltern gegenüber kommuniziert, dass es einige Teile der Welt gibt, die ich sehen muss, um mein Ding zu machen. Ich bin einer von denen, die sagen: Es fühlt sich an, als könnte ich nie etwas anderes tun. Immer wenn ich etwas anfange, merke ich: Das ist der Weg, den ich gehen muss!

FÜHLT ES SICH WIE EIN ZWANG AN?

Es fühlt sich eher wie eine innere Suche an. Ich reise sehr viel, ich lebe seit fünf Jahren wie ein Nomade, in etwa sechs Ländern pro Jahr.

SPIRITUALITÄT SPIELT FÜR DICH EINE GROSSE ROLLE – HAST DU RITUALE, WENN DU AUF REISEN GEHST?

Jedes Mal, wenn ich den Koffere packe, heule ich! Woran ich festhalte, sind eher Kleinigkeiten. Ich habe zum Beispiel einen Wahrsager, der mich seit zwei Jahren berät, er ist so etwas wie der Papst der Astrologie! Durch ihn wusste ich: Ja, die Zeit ist jetzt richtig, um nach Ibiza zu gehen. Und momentan beschäftige ich mich damit, ob London oder New York als Nächstes kommt …

GIBT DIR DAS EINE ART STRUKTUR?

Hilfe und Unterstützung sind sehr wichtig für mich und meine Lebensart. Ich habe Mentoren und Menschen, zu denen ich aufblicke, sowohl in der Mode- als auch in der Kunstwelt. Das gibt mir Halt.

KÄME EIN KOLLEKTIV FÜR DICH IN FRAGE?

Ich finde es spannend, Communitys und Kollektive zu beobachten, gerade in der Kunst, aber ich bin nicht der Typ dafür. Ich bin präzise und sehr wählerisch – gerade, wenn es um Zusammenarbeit geht.

JETZT HAST DU MIT COMME DES GARÇONS ZUSAMMENGEARBEITET. WIE GEHST DU KOOPERATIONEN AUSSERHALB DER KUNST AN?

Es gab Momente, in denen ich gelernt habe, wie die Strukturen in der Modewelt funktionieren. Rafael Pavarotti ist mein Fashion-Bruder, er ist bei mir, seitdem es so richtig losging. Es gibt eine große Artdirektorin, die mich sehr beeindruckt hat, Ronnie Cooke Newhouse. Ich habe genau zugeschaut und mir Notizen gemacht, wenn ich mit ihr gearbeitet habe. Dann habe ich genau für solche Projekte auch eine Agentur, die genau schaut, was zu mir passt.

GIBT ES DIE VERSUCHUNG, NUR AUF DEN PAYCHECK ZU SCHAUEN?

Kapitalismus spielt eine Rolle, und es ist das System, in dem wir leben. Wenn es aber um Kreativität geht, muss man vorsichtig sein und eine Balance finden, um nicht derjenige zu sein, der am Ende verramscht wird.

WIE WAR ES MIT COMME DES GARÇONS?

Es war traumhaft, wirklich! Ich hatte als Teenager ein Plakat einer „Comme des Garçon“-Kampagne über meinem Bett. Wir lebten über der Kirche, in einer Kleinstadt. Das war für mich krass, als queerer Künstler. Ich habe das Poster angeschaut und mir immer gesagt: Irgendwann bist du ein Teil davon. Und dann kam der Anruf … Die Anfrage kam von genau der Artdirektorin, die auch schon das Poster kreiert hatte und die nun meine Mentorin ist … Ich habe es manifestiert und es ist eingetreten. Viele Dinge, die ich mir gewünscht habe, sind wahr geworden. Aber es ist nicht nur Spiritualität, es bedeutet auch Arbeit.

WIE SAH DIE ARBEIT HIER AUS?

Das Projekt heißt „Artists in Residency“. Ich konnte Verpackungen, ein Eventerlebnis und Storedesign inszenieren – aber das Highlight war die Kampagne. Nach dem Zoom-Call mit Comme des Garçons habe ich den Computer zugeklappt und erst mal geweint! Passiert das gerade wirklich?! Ich war überwältigt. Danach bin ich nach Paris gereist und habe das Team kennengelernt. Inzwischen sind wir Freunde und es sind die Ersten, die ich treffe, wenn ich in der Stadt bin. Etwa einen Monat lang haben wir intensiv zusammengearbeitet, uns jeden Tag gesehen.

DAS PARFÜM „ZERO“ IST EIN DUFT, DER KLIMANEUTRAL UND MIT RECYCELBAREN MATE- RIALIEN VERPACKT WIRD. WIE WICHTIG WAR DIR DIESER ASPEKT?

Ich habe mich dadurch gleich mit dem Projekt verbunden gefühlt. Ich bin neben einem Naturre- servat aufgewachsen, mit Taranteln, die auf der Seife sitzen, Geckos, die umherlaufen, und Affen überall. So versteht man die Natur immer als einen Teil von sich selbst, nicht bloß als einen Ort, den man besucht oder konsumiert. Es wird einem so früh bewusst, dass man auf die Natur auch Acht geben muss. Auch diesen Gedanken ließ ich in die Arbeit für Comme des Garçons einfließen.

LEBST DU IM JETZT ODER IN DER ZUKUNFT?

Das Neue macht mich neugierig und ich bin offen. Aber ich will auch den Drink hier genießen und mal schauen, was passiert.

 

FIN

Buntes Gemälde
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