Der US-amerikanische Singer-Songwriter Conan Gray war noch nie auf Wolke 7 – aber auch noch nicht in der Datinghölle. Bisher. Zum ersten Mal war er nun so richtig verliebt und fand wortwörtlich „den Himmel auf Erden“. Mit seinem Album „Found Heaven“ hält er all die Emotionen fest, die mit der Liebesgeschichte, leider ohne Happy End, einhergehen. Der Sound ist dabei so vielfältig, wie die Gefühle, die er verarbeitet: Mal 1980er Jahre Dance-Pop, mal zarte Ballade – seine allererste, wie er TUSH-Autorin Kiki Roloff erzählt. Sie spricht mit Conan im Zuge seiner Albumpromo in Deutschland unter anderem über seine Liebe zu David Bowie und zum Look der 1980er Jahre. Der Musiker verrät außerdem, welcher Superstar ihm seine erste Beautylektion erteilt hat und wie seine Lockenroutine aussieht.
In einem Interview hast du gesagt, dass du gerne lügst. Stimmt das? Vielleicht war es eine Lüge! (lacht)
Erzähle uns eine Lüge! Meine Lieblingslüge ist mein Geburtsort. Wenn du wie in deinem Fall sagst: „Ich wohne in Hamburg“, würde ich behaupten: „Ich wurde in Hamburg geboren!“ Über mein Album „Found Heaven“ verbreite ich jetzt also einfach mal das Gerücht, dass ich es in Hamburg geschrieben habe. Es ist tief von den Hafenlichtern inspiriert.
Hast du auch bei der Entstehung vom Album irgendwann aus Spaß gelogen? Im Musikvideo zu „Lonely Dancers“ spielt meine beste Freundin Doris mit. Wir wollten, dass sie eine Kaugummiblase macht und dann wie eingefroren stehen bleibt. Ich habe ihr gesagt, dass die Dreharbeiten nicht länger als eine Stunde dauern. Stattdessen musste sie 12 Stunden lang mit Kaugummiblase am Set stehen.
Deine Anfänge als YouTuber sind als Videozusammenschnitte auf Social Media Plattformen im Umlauf. Stößt du gelegentlich darauf, und wenn ja, welche Emotionen lösen sie bei dir aus? Die werden mir oft angezeigt und meine Gefühle dazu sind sehr zwiegespalten. Ich habe damals in einer Kleinstadt in Texas gelebt und es war alles so friedlich. Einerseits war es eine einfache Zeit, andererseits eine traurige. Ich bin jetzt viel glücklicher, also sehne ich mich nicht nach ihr zurück. Ich habe aber im Moment starkes Heimweh und es gibt Dinge, die ich vermisse: Etwa, dass ich innerhalb von 2 Minuten bei meiner besten Freundin sein kann.
Foto: Muriel Knudson
Als Künstler, der seine Emotionen offen zeigt: Was ist ein Gefühl, das du manchmal immer noch schwer ausdrücken kannst? Musik ist das einzige Tool, durch das ich alles frei sagen kann, was ich will. Immer wenn ich mich in Songs verletzlich zeige, dränge ich mich förmlich dazu, sie zu veröffentlichen. Ich weiß, dass ich mit meinen Gefühlen nie allein bin. Ich habe aber aus irgendeinem Grund noch nicht so viele Liebeslieder geschrieben. „Alley Rose“ ist mein erstes.
Gibt es Songs, bei denen du denkst „Die behalte ich ganz für mich allein“ als eine Art Selbsttherapie? Oh ja, sogar sehr viele. Ich behalte sie hauptsächlich für mich, weil mir bewusst ist, dass meine Musik von vielen Menschen gehört wird. Bei manchen Songs möchte ich nicht, dass andere Leute darüber sprechen und urteilen. Vielleicht ist das ein wenig egoistisch, aber manchmal geht es einfach nicht anders.
Es klingt eher nach absolut verständlichem Selbstschutz. Wie du bereits gesagt hast, hören dir viele Leute zu. Kannst du dich an einen bestimmten Moment oder eine Nachricht von einem Fan erinnern, die dein Herz wirklich berührt hat oder dich auf eine tiefgreifende Weise beeinflusst hat? Ich denke viel an ein sehr nettes Mädchen namens Andrea. Sie war die allererste Person in der Schlange bei meinem ersten Konzert. Ich sehe sie bis heute. Ihr und einigen anderen langjährigen Fans habe ich „Found Heaven“ im Dezember als Erstes vorgespielt. Meine Community denkt immer, sie sieht mich aufwachsen. Ich glaube, die Leute vergessen dabei, dass ich ihnen genauso beim Aufwachsen zuschaue. Es berührt mich zu sehen, wie sie sich als Menschen verändern, sie erste Partnerschaften haben, aufs College gehen und all solche Sachen. Das ist so cool.
Wie würdest du die Bedeutung der queeren Community für dich persönlich beschreiben? Welche Botschaft möchtest du jungen, queeren Menschen vermitteln, die sich durch deine Kunst repräsentiert fühlen? Musik ist eine besondere Sprache, weil sie jeder versteht. Es ist wie eine Form der Kommunikation, bei der nichts erklärt werden muss, du verstehst es einfach. Zu wissen, dass ich jemandem das Gefühl gebe, weniger allein zu sein, ist der einzige Grund, warum ich das alles hier mache.
Welche Artists geben dir wiederum dieses Gefühl? Phoebe Bridgers, The Cranberries und Wolf Alice zum Beispiel.
Cover Artwork: Elizaveta Porodina
Dein Album „Found Heaven“ macht einige visuelle Anspielungen auf David Bowie. Warum hast du dir ihn als Inspiration ausgesucht? Ich habe David Bowie erst im Erwachsenenalter entdeckt. Ich bin in Texas aufgewachsen, wo hauptsächlich christliche und Country Musik gehört wird. David Bowie war wie eine „Geistesexplosion“. Ich liebe es, dass er immer er selbst war und bewundere ihn für seine Kreativität. Bei der Entstehung zu „Found Heaven“ habe ich mich wie eine ganz andere Person gefühlt und das möchte ich auch visuell ausdrücken. Mode geht Hand in Hand mit Musik, weil es auch eine Art von Ausdruck ist. Bowie war der Meister darin, Mode und Musik zu verbinden.
Gab es eine Idee, die am Ende viel besser funktioniert hat als du gedacht hast? In dem Musikvideo zu „Lonely Dancers“ wollte ich gerne etwas Neues ausprobieren. Ich hatte die Idee, dass alle Menschen um mich herum wie eingefroren dastehen, aber ich hatte keine hohen Erwartungen. Meine Sorge war, dass es komplett lächerlich wirkt. Das Risiko hat sich ausgezahlt. Jetzt ist es sogar mein Lieblingsvideo. Ich bin stolz darauf und das sage ich als eine Person, die niemals auf sich selbst stolz ist.
Der Glam der 1980er spielt in diesem Video und generell bei dir gerade eine große Rolle. Der Look ist für seine extravagante und flamboyante Mode, kräftige Farben, auffällige Accessoires und dramatisches Make-up bekannt. Warum ist genau das gerade die richtige Ära für dich? Was ich an den 1980er Jahren liebe ist, dass die Menschen zu der Zeit keinen Wert darauf gelegt haben, cool oder lässig zu sein. Die Leute machten sich, ohne mit der Wimper zu zucken, lächerlich und waren sich dessen sehr bewusst. Sie haben sich lautstark getraut, über alles zu sprechen, was ihnen wichtig war. Ich bin ein Gen Z. Manchmal nervt mich an meiner Generation, wie sehr sie darauf bedacht ist, unbekümmert und cool zu wirken. Dabei ist diesen Leuten nicht alles egal – ganz im Gegenteil. Ich möchte nicht so tun, als ob ich mir keine Mühe gebe. Mir ist das alles wichtig und das will ich auch zeigen. Mir liegen Dinge am Herzen. Ich bin extrem emotional. Deswegen soll meine Arbeit auch visuell eine Extreme ausdrücken. Die 1980er Jahre sind für mich genau das.
Musikvideo zu „Lonely Dancers“ von Conan Gray
Gehen wir vom Thema Mode über zum Thema Beauty: Was war die erste Beautylektion, die du gelernt hast? Ich habe nie darüber nachgedacht, wie ich aussehe, bis ich 14 Jahre alt war. Haarschnitte haben seitdem mein ganzes Leben definiert. Alle meine Haarschnitte sind im Internet verewigt und gehören einer bestimmten Ära an. Es begann mit 14 und meinem „Bieber-Schnitt“. In diesem Moment habe ich angefangen, mich selbst schön zu finden. Meine erste Beautylektion habe ich also wohl Justin Bieber zu verdanken.
Gibt es aktuell eine Person, die zu deinem Look beiträgt? Meine beste Freundin Doris ist der Grund, warum ich gerade einen Pony habe. Wir haben rumgealbert und sie hat ein Polaroidbild von mir gemacht, auf dem es aussieht, als hätte ich einen. Ein Blick aufs Foto und wir dachten: „Das sieht echt gut aus. Zeit für einen Pony!“.
Du hast gesagt, bis du 14 warst, hat dein Aussehen für dich keine Rolle gespielt. Hängt das mit deinem Umfeld zu der Zeit zusammen? Wenn du durch die Flure einer High School in Texas gehst, tragen die Jungs Cowboy-Stiefel, eine große Gürtelschnalle und einen Cowboyhut – und das nicht, weil sie gerade Kühe hüten. Es gefällt ihnen einfach, aber das war noch nie mein Stil. Mode war für mich früher nur ein Mittel, um mich anzupassen und bloß nicht aufzufallen. Deswegen bestand meine Kindheit aus Khaki-Shorts und Turnschuhen.
Bitte verrate uns: Was ist das Geheimnis hinter deinen Locken?
Als Kind hatte ich immer glatte Haare und in der Pubertät entwickelten sich wie über Nacht Locken. Ich musste erstmal lernen mit meiner neuen Haarstruktur umzugehen. Meine Routine sieht jetzt so aus: Ich wasche meine Haare und tupfe sie mit dem Handtuch ein wenig trocken. Danach benutze ich eine Lockencreme, zurzeit die von Oribe. Dann lasse ich meine Haare lufttrocknen.
Manchmal trägst du Eyeliner. Was gibt dir dieser Look?
Durch den Eyeliner schlüpfe ich für öffentliche Auftritte in eine Rolle. Ich mag es, dass ich nicht wie ich selbst aussehe, wenn ich in solchen Momenten in den Spiegel schaue. Diese Transformation ist genau der Selbstbewusstseinsschub, den ich brauche, um Dinge zu schaffen, die mir Angst machen. Es ist meine Rüstung.
Hast du ein Ritual, bevor du mit deiner Rüstung auf die Bühne gehst?
Meine Bandmitglieder und ich sagen uns gegenseitig, dass wir dankbar füreinander sind. Wir wählen dann ein Wort aus, das den Tag definiert. In unserem Gespräch könnte das jetzt zum Beispiel „Justin Bieber“ lauten. Dann schreien wir alle zusammen das Wort so laut wie möglich.
Justin freut sich, falls er das Interview hier mal lesen sollte! Zum Abschluss: Was ist etwas, das du jeden Tag tun musst oder es war kein guter Tag?
Kaffee trinken. Ich meine es verdammt ernst, wenn ich sage, dass Kaffee der beste Teil meines Tages ist.
Wir wünschen Conan, dass er in Hamburg den besten Kaffee bekommen hat!