Die Nase trinkt mit

Paul Kern ist Wein-Profi und hat damit nicht nur ein gutes Gaumen-Gefühl, sondern auch die richtige Nase – auch zum Parfums probieren.
Duft und Wein haben tatsächlich vieles gemeinsam: Besondere Rohstoffe, vielschichtige Komposition und klare Intention. Vor allem Eau’s sollen ja eine bestimmte Stimmung versprühen – welche  Rioja Weine dazu passen, erklärt Kern.

Illustration von rosanen Flaschen

 

Eigentlich rieche ich selten an Dingen, die ich mir danach nicht unter den Gaumen spüle. Dennoch ist der Duft bei meinem Metier – dem Wein – weit mehr als ein Beiwerk. Wer das Riechen als abgespecktes Schmecken betrachtet, hat von Wein so viel verstanden wie Jean-Baptiste Grenouille vom Selbstbestimmungsrecht der Frau. Der Duft – oder wie man in der Weinsprache sagt das Bouquet – macht den Wein spürbar, am Gaumen wird er erörtert. In der Nase schmeckt man mit dem Herzen, im Mund mit dem Kopf.

Wein und Parfum vereint dabei – soviel habe auch ich als Parfum-Banause mittlerweile verstanden –, dass das Wie viel wichtiger ist als das Was. Die Attribute Zitrus, Holz, Johannisbeere können einen ebenso phantastischen wie grauslichen Wein beschreiben. Oft lässt sich gar nicht genau ausmachen, was ein gutes Bouquet von einem schlechten jetzt so genau unterscheidet. Kognitionswissenschaftler sagen zwar, dass Gerüche im Hirn verarbeitet werden, aber ich bin mir sicher, dass sie im Herzen entstehen und man sie dorthin lassen muss, um sie zu begreifen.

Wein mit Parfum zu kombinieren, ist also gar kein so abwegiges Unterfangen. Parfum mit Rioja zu kombinieren auch nicht, denn was die Weinbauregion im Norden Spaniens ausmacht, lässt sich oft schon im Bouquet erleben. Gerade treffen in der Rioja die Modernisten auf die Traditionalisten, die reintönigen und fruchtigen auf die rustikalen und erdigen Weine.
Die Region im Wandel in sechs Düften.

Weinflasche und Tom Ford Parfum

Tom Ford – Bois Marocain
Conde de los Andes – Rioja Blanco 2018

Weil man Säure nicht riechen kann und man sich Parfum seltenst in den Mund sprüht, spielt Säure wohl kaum eine Rolle für die Duftbranche. Trotzdem verbinde ich Bois Marocain sofort mit dem rasiermesserscharfen spitz-säurehaltigen Weißwein von Condes de los Andes. Auf wundersame Weise bringen sowohl Wein als auch Parfum zwei Welten zusammen, die üppig-rauchige und die fein ziselierte. Weiße Grapefruit-Zeste trifft auf flammendes Baumharz.

Roséwein und Parfumflakon

Marqués de Murrieta – Primer Rosé 2021

„Une certaine élégance parisienne“ will der Duft vermitteln – und wirkt dabei auf den zweiten Blick gar nicht so kitschig-quietschig wie auf den ersten. Ein ähnlicher gar nicht mal so unseriöser Schein-Kitscher ist der Rosé von Marqués de Murrieta, der zwar äußerst floral daherkommt, aber viel Tiefgang bietet, mit Noten von marokkanischer Minze, weißen Blüten, roter Grapefruit und subtil-herber Bitterorange. Rioja, ein Fest fürs Leben!

Weißweinflasche und schwarzer Flakon

Lopez de Haro – Blanco 2019

Für mich riecht dieses Parfum wie frisch geduscht. Sprich: sehr sauber. Ähnlich frei von jedwedem Moschus oder Hautgoût präsentieren sich meistens Weißweine aus dem Basissegment. Sie tun nicht weh, animieren mit ihrer Frucht, sind aber eher was für Party und Swimmingpool als für die Dinnertafel. Auf einer Gartenparty würde ich mir Givenchy vielleicht auftragen und einen eisgekühlten Lopez de Haro einschenken lassen.

Rotwein in Netz und Parfum von Chanel

Lopez de Heredia – Viña Tondonia

Bleu de Chanel ist sogar mir ein Begriff und ich habe mir sagen lassen, dass der Duft einer der großen Klassiker der Herren-Premium-Parfums ist. Auch wenn das stahlige, direkte Bleu-de-Chanel-Bouquet rein gar nichts mit dem rustikalen dörrfruchtigen Viña Tondonia zu tun hat, geben die beiden das perfekte Paar ab. Zwei Stilikonen, die in keiner Rioja- beziehungsweise Parfum-Auflistung fehlen dürfen.

Wein und gelbes Parfum

Viña Pomal – Graciano Vinos Singularis 2019

Bei der speckigen Rauchnote des Parfums musste ich sofort an Graciano denken, eine Rebsorte, die in fast jedem roten Rioja drinsteckt, aber selten mehr als 20 Prozent einnimmt. Graciano bringt von Natur aus so viel angeklimmte Zedernholzaromatik mit, dass die Winzer sie wie eine Gewürztinktur verwenden, um ihre Weine damit abzuschmecken. Ein feuriges Match.

Flasche und Parfum mit orangenem Inhalt

Penhaligon‘s – Legacy of Petra
Lopez de Haro – Gran Reserva Rosé

Mit seinen Noten von Vanille, angeklimmten Eichenholz, gebrannten Mandeln, Orangenmarmelade und Sultaninen, spricht mich das Parfum durchaus an. Zugegeben, es duftet nach viel Klunker, auch Goldkettchen, vielleicht auch Ledersitze im Jaguar Coupé. Lässig ist anders – dieses Paar ist eher üppig, aber das ist ja auch Geschmacksache.

Paul Kern wuchs in Weinheim auf, wo sich die Reben der Hessischen und der Badischen Bergstraße die Hand geben und wo er schon als kleiner Bub im Hobbyweinberg der Familie den Geschmack aromatischer Rieslingtrauben kennenlernte. Nach Stationen hinterm Herd in der Spitzengastronomie und einem Weinwirtschaftsstudium an der Hochschule Geisenheim schreibt Paul Kern nun für diverse Publikationen über Wein und Kulinarik.

[Illustration]
Lida Lucia
[Text]
Paul Kern
[Redaktion ]
Laura Dunkelmann
[Foto]
PR
Dezember 16, 2022
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