Endlich clean

 

Natürlich, nachhaltig – nicht unbedingt Adjektive, mit denen wir die USA bisher verbunden haben. In der Beauty-Industrie wird allerdings gerade ein anderes Amerika gezüchtet: Frei von Künstlichkeiten – in der Ästhetik wie in den Inhaltsstoffen. Den Kern bilden neue, unabhängige Labels. Mit großer Wirkung, auf Haut wie den Markt.

Celeste e Verde Palette - Die Palette ist eine Kooperation mit Maryam Nassir Zadeh und Make

 

Die Schlange ist lang, am Samstagnachmittag bei Cap Beauty im New Yorker West Village. Die Körbe voll mit braunen Tiegeln, glänzenden Öl-Fläschchen und esoterisch anmutenden Nahrungsergänzungsmitteln: Beauty Produkte, die rein natürlich sind – nur diese schafft es hier in die Regale. Ein Duft zwischen Weihrauch und Thymian liegt in der Luft, so wie der Sound von zartem Tiegelschrauben und Flakon-Klirren. Vor allem Frauen shoppen hier, probieren Cremes, tropfen Elixiere auf die Handrücken. Cap ist keine Ausnahme, vielmehr ein Zentrum, das zeigt, wie wählerisch amerikanische Konsumenten geworden sind. Klar, wir sind hier in einer Metropole – Aber die Bewegung zu Nachhaltigkeit und Natürlichkeit ist in den USA keine Nische mehr.

 

Hier sprießen jetzt Independent-Labels – für Make-up, Pflege, Haare.
Der Boden ist besonders fruchtbar. Das Land ist groß, die Lust auf Schönheit auch. Das Bewusstsein für Inhaltsstoffe, Ethik und sicher auch Ästhetik wächst mit.

Vielleicht, weil es daran einfach bisher gemangelt hat, einerseits dem Wissen, andererseits der Auswahl an Alternative zur vielleicht effektvollen aber wenig ganzheitlichen Konzepten.

Aus ihrem eigenen Bedarf starteten dann zum Beispiel Frauen wie Bee Shapiro ihre cleane Parfum-Marke „Ellis Brooklyn“, Ariana Mouyiaris die Make-up Linie „Make Beauty“ oder Neada Deters die Organic Pflege „Lesse“ (der Name ist Programm). Auch wenn die Auswahl in  den Parfümerien schon riesig war – sie fanden sich in keiner der gängigen Konzepte wieder.

„Als ich schwanger wurde, begann ich sehr genau zu werden mit den Produkten, die ich benutze – und konnte keine luxuriösen, aber cleanen Parfums finden,“ erklärt die ehemalige Beauty Redakteurin Bee Shapiro, die 2015 Ellis Brooklyn lancierte. Visionen anstatt leere Versprechungen, Klasse anstatt Masse – Die neue Generation amerikanischer Marken geht konzeptioneller, bedachter vor.

 

Ritual Serum - Kurkuma soll ei Haut klären, von LESSE

Inspiriert von Gedichten und Geschichten: Die luxuriösen Düfte von Ellis Brooklyn. Myth duftet warm und weich nach Jasmin und Moschus.

The Universal Stick can be used on lips and cheeks, MAKE

 

Es beginnt mit Cruelty free. Für viele der „Kleinen“ der Standard.

Das klingt einfach, aber jede Marke, die in China verkauft, ist in Tierversuche involviert (eine Auflage, um dort verkaufen zu dürfen). Wenige der Weltkonzerne verzichten auf diesen lukrativen Markt.

Hinzu kommt das Auslassen von Parabenen, Sulfaten, Silikonen, synthetische Duftstoffen, dafür aber eine Produktion in lokale Manufakturen. „Alle Produkte werden in New York gemacht. Wir wollen die lokale Wirtschaft supporten“,  erklärt Ariana Mouyiaris von Make Beauty ihre Entscheidung für lokale Produktion.
Für viele kommen denn noch rein natürlichen Inhaltsstoffen dazu, gerne verpackt in abbaubaren oder nachfüllbaren Boxen, Tiegeln, Tuben. Das macht z.B. auch Body-Care Label Néccessaire (einer der beiden Gründer arbeitete zuvor 15 Jahre für Estée Lauder), die zu 85% recyceltes Material für ihre Boxen nutzen – welche dann zu 100% recyclebar sind.

 

Schon 2018 wurden im Vergleich zu 2017 den USA 23% mehr natur-basierte Gesichtspflege verkauft, 1,6 Billionen Dollar (von insgesamt 5,6 Billionen) erwirtschaftete das Segment. Ein Viertel des Umsatzes von High End Kosmetik in den USA machen schon Natur-basierte Labels aus. (NPD Group).

 

Einer der größten Drogerie Ketten, CVS, kündigte an, Parabene aus den mehr als 600 hauseigenen Produkten bis zum Ende des Jahres zu entfernen. Zwar ist die Kette dann immer noch weit entfernt von einem Sortiment, wie es Shop wie Cap Beauty anbieten, aber sie nähern sich an, anstatt sich zu entfernen.

 

„Es wird immer besser in den USA, bei uns ist Kosmetik auch noch nicht so streng reguliert wie in Europa zum Beispiel. Heute sind Konsumenten wie die Brands selber viel besser informiert, schauen mehr auf Technologien und Inhalte – Das ist eine tolle Entwickelung,“ findet auch Shapiro.

 

Der Wandel spiegelt sich auch in der Ästhetik wider: Mit weniger Photoshop, mehr Poren, Tageslicht, natürliches Haar und minimalistischen Produktdesign stehen die Neulinge auch für ein ganzheitliches Konzept, dass mal etwas verspielter wie bei Ellis Brooklyn, puristisch wie bei Lesse oder clean-cool wie bei Make ist. „Selbstausdruck, nicht Trends sind uns wichtig. Bei Schönheit geht es darum, sich in der eigenen Haut wohl zu fühlen, egal wie viel oder wenig Make-up man trägt“, so Ariana Mouyiaris von Make.
Nicht alles Altbekannte haben die USA abgelegt: Marketing und damit auch die Optik sind auf den Punkt. Die Oberflächlichkeit scheint abgelegt, innen mit außen im Einklang – und genau das wollen ja auch wir erreichen, ob mit den edlen Ölen von Cap Beauty oder Mindset. Vielleicht schauen wir bald doch wieder auf Amerika. Mit dem Blick auf’s Innere.

Body Wash mit Vitaminen - zur Linie von Nécessaires gehört auch Gleitgel.

Eine Ode an Marcel Duchamp: Rose im Mix mit Citrus-Noten.

[Editor]
Laura Dunkelmann
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Pr
Juli 12, 2019
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