Du hast über 4 Millionen Follower auf Instagram, dein Survirtualism-Account hat zusätzlich über 200.000 Follower. Wie bist du zur virtuellen Kunst gekommen? Wie und warum hast du angefangen, diese zu posten?
Zu Beginn meiner kreativen Reise habe ich verschiedene Themen und Stile erforscht und dabei Kombinationen und Widersprüche in der visuellen Ästhetik geschaffen. Mein Ziel war es, beim Betrachtenden Interesse und Emotionen zu wecken, manchmal sogar Aggression und Abscheu zu Themen, die viele nur zögerlich diskutieren. Außerdem wollte ich die Komplexität und Vielschichtigkeit der weiblichen Identität hervorheben. Einer der Schlüsselmomente auf meinem Weg war die Einrichtung einer virtuellen Galerie auf Instagram, die ich „The Room“ nannte. Dies ist ein Ort, an dem ich mich und meine Ideen frei ausdrücken kann, indem ich eine ideale Welt schaffe, die diejenigen anzieht, die Angst davor haben, ungewöhnlich und bunt zu sein. Der virtuelle Raum wurde zu einem Symbol für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und für den Schutz vor einer feindlichen Außenwelt. Viele Jugendliche fanden in diesem Raum Zuflucht und Inspiration, unterstützten mich aktiv und sahen mich als ihr Vorbild. In meinen Arbeiten kombiniere ich Elemente verschiedener Subkulturen und Stile und erforsche Kontraste zwischen natürlicher und monströser, fremder und natürlicher Schönheit. Gefärbte Haare in pastellfarbenen und hellen Tönen, glänzende Haut, zusätzliche Augen, Hörner, die meine Stirn durchbohren – all dies vermittelte den Eindruck, ich sei ein Bewohner eines anderen Planeten oder eine Figur aus der Erwachsenenfantasie. Diese Kombination zog Millionen von Zuschauern an und weckte ihr Interesse.
Du bezeichnest dich selbst als Multimediakünstlerin, und die Technologie entwickelt sich ständig weiter: Wie schaffst du es, mit den Fortschritten der virtuellen Realität Schritt zu halten?
Bei der Arbeit mit gemischten Medien und virtueller Realität betrachte ich die Technologie als einen Sprung ins Unbekannte, eine Möglichkeit, neue Welten in der Kunst zu erschließen. Ich probiere ständig neue Dinge aus und nutze die neuesten technologischen Entwicklungen wie KI und Blockchain (NFT), um meine Kreativität auf eine neue Ebene zu heben. Ich genieße es, immer vorne mit dabei zu sein, mich schnell auf Innovationen einzustellen und neue Richtungen in der Kunst zu gestalten. Aber es geht nicht nur darum, trendy zu sein, sondern auch darum, in einer zunehmend digitalen Welt zu überleben und zu wachsen. Ich bemühe mich, nicht an einem Ort festzustecken und meinen kreativen Ansatz und meine Werkzeuge ständig zu erneuern. Ich glaube, das hilft mir, eine frische Perspektive auf die Welt zu bewahren und bei Spitzentechnologien wie der virtuellen Realität immer einen Schritt voraus zu sein.
Wie genau setzt du künstliche Intelligenz in deiner Kunst ein?
Ich nutze künstliche Intelligenz aktiv in meiner Arbeit, aber nicht so, wie man es vielleicht erwarten würde. Sie ist in meinen Ölmalereiprozess involviert, wo sie mir hilft, tief strukturierte Substrate und Hintergründe zu schaffen. Ich verwende neuronale Netze, um Bleistiftskizzen in vollwertige, volumetrische Zeichnungen mit Beleuchtung und Schattierung umzuwandeln, die mir dabei helfen, die am besten geeigneten Perspektiven und Referenzen zu finden. Außerdem verwende ich ein neues Photoshop-Plug-in, das auf Wunsch Bildfragmente erzeugt, was den Arbeitsprozess erheblich beschleunigt und Zeit spart. Neuronale Sprachnetzwerke spielen bei meiner Arbeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese Werkzeuge werden zu unschätzbaren Assistenten im Lern- und Verstehensprozess, beantworten Fragen, analysieren Texte und helfen mir beim Studium verschiedener Symbole und Theorien. In diesem Zusammenhang fungiert die künstliche Intelligenz als unvergleichlicher Lehrer, der immer bereit ist, Hilfestellungen und Erklärungen zu geben. Ich weiß, dass es einige Bedenken geben könnte, dass die KI die ganze Arbeit macht, aber ich kann euch versichern, dass die endgültige kreative Entscheidung immer bei mir liegt. Die künstliche Intelligenz ist nur ein Werkzeug, das meine Arbeit verbessert, aber die Vision und die Kreativität hinter dem Kunstwerk sind allein meine.
Deine Visionen sind sehr symbolträchtig und wecken starke Emotionen. Was möchtest du dem Betrachtenden bei dieser Arbeit für TUSH sagen?
Meine Kunst spiegelt Elemente der Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit wider. Sie schafft einen Kontrast, der sich mit unseren tief verwurzelten Ängsten und dem Reiz der Unvollkommenheit auseinandersetzt. Dieses Konzept lässt ebenso meine Sicht der Realität erkennen, in der Schönheit und Hässlichkeit gleichermaßen existieren und die Einzigartigkeit eines jeden von uns bereichern. Ich hinterfrage auch, wie sich diese Dialoge und Beziehungen in der digitalen Umgebung manifestieren. Insbesondere den Einfluss der Lebensstile, die wir in den sozialen Medien beobachten. Einige meiner Arbeiten können als Kommentar zu diesem gesellschaftlichen Phänomen gesehen werden, in dem ich die Absurdität und Unvollkommenheit in einer nach Perfektion strebenden Welt hervorhebe. Letztlich geht meine Herangehensweise an das Schaffen von Kunstwerken über das bloße Erstellen von Bildern hinaus. Es geht auch darum, wie diese Bilder die Gesellschaft beeinflussen und Diskussionen über wichtige Themen wie Schönheit, Selbstdarstellung und den Einfluss der digitalen Kultur auf unsere Wahrnehmung der Realität fördern.
Die verschiedenen Motive des Shoots symbolisieren unterschiedliche Formen und Sichtweisen von Schönheit: Was bedeutet Beauty für dich persönlich?
Schönheit ist in meinen Augen viel mehr als das, was unsere Augen wahrnehmen. Sie ist eine komplexe Verschmelzung von äußeren und inneren Qualitäten, von Künstlichem und Natürlichem, von Ungesundem und Gesundem, von Kindlichem und Erwachsenem. In meiner Darstellung versuche ich, eine Brücke zwischen diesen Extremen zu schlagen. Wenn ich mich zum Beispiel als zartes Mädchen mit perfekter Haut und einem „Babyface“ darstelle, ist das das „Schöne“. Wenn ich jedoch Elemente hinzufüge, die Unbehagen oder sogar Abscheu hervorrufen, wie z. B. unordentliches Make-up oder Accessoires in Form von Kakerlaken und Schlangen, dann ist das die Einbeziehung des „Hässlichen“. Dies kann in meinen Fotografien sichtbar werden, in denen ich zu einer magischen anthropomorphen Kreatur werde, die dem realen Bild eine Ebene der Virtualität und der Eigenartigkeit hinzufügt. Letztendlich geht es bei der Schönheit für mich nicht um Perfektion, sondern um eine einzigartige Kombination all dieser widersprüchlichen Elemente, die uns zu Menschen machen.
Zurück zur Realität: Was siehst du, wenn du aus dem Fenster deiner Wohnung schaust?
Seit dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 ist meine Realität dynamisch und verändert sich ständig. Während dieser Zeit bin ich mehrmals umgezogen, und jedes Mal hat sich der Blick aus meinem Fenster dramatisch verändert. Ich habe alles gesehen, vom üppigen grünen Dschungel in Thailand bis hin zu den beeindruckenden Wolkenkratzern in Dubai. Von katzengefüllten Balkonen in Istanbul ging mein Blick zu den kalten, neonbeleuchteten Fenstern von Seoul, die eine ganze Wand ausfüllen. Jeder neue Ort hat mir eine neue Perspektive und frische, inspirierende Bilder beschert. Trotz all dieser Dynamik und Veränderung dient jede neue Szene vor meinem Fenster als neue Leinwand für meine Kreativität, die meinen Wunsch antreibt, weiterhin etwas zu schaffen und meine Erfahrungen mit der Welt zu teilen.
Zurück zur Traumwelt: In deiner Kunst finden sich traumhafte und fantastische Elemente. Wie fängst du das Unterbewusstsein ein und stellst es dar?
In meinem künstlerischen Ansatz, den ich Survirtualismus nenne, geht das Unterbewusstsein weit über gewöhnliche Träume hinaus. Für mich ist es eher ein intuitives Gefühl, das ich nicht bewusst wahrnehme, das mich aber auf den richtigen Weg der Kreativität führt. Wenn ich an einem Projekt arbeite, ergebe ich mich gewissermaßen dem Willen meines inneren kreativen Kindes. Ich erlaube diesem Teil von mir, mich zu führen, und vertraue ihm vollkommen. Ich gebe die Kontrolle über den Prozess ab und erlaube dem Künstler in mir, ohne meine direkte Beteiligung zu schaffen. Das Ergebnis sind Werke, die wie von selbst entstehen, wie aus dem Nichts, und vielleicht können sie viel besser über sich selbst sprechen, als ich ihre Entstehung erklären kann. Letztlich sind alle meine Arbeiten ein Versuch, das einzufangen und zu verkörpern, was mir das Unterbewusstsein während des kreativen Prozesses zuflüstert.