Du hast mir heute Morgen erzählt, dass deine Mutter dir und deiner Schwester Kleider genäht hat, wodurch ihr immer besonders stilvoll gekleidet wart und es genossen habt. Welche Bedeutung hat Mode für dich?
Ich war schon immer fasziniert von der Kreativität der Designer und wie eine komplette Kollektion aus dem Nichts entsteht. Meine Mutter ist sehr kreativ, und generell hat meine Familie eine künstlerische Ader. Dies hat mich auch zur Mode geführt. Ich plane ebenfalls, meine eigene Kollektion herauszubringen, jedoch hatte ich während meiner Zeit als Schwimmerin einfach keine Zeit mich gleich- zeitig darum zu kümmern. Doch jetzt nehme ich mich dieser Aufgabe an.
Gibt es deiner Meinung nach Parallelen zwischen dem Profisport und dem Fashion-Business?
Auf jeden Fall gibt es den gleichen Wettbewerbsgedanken in beiden Bereichen. Beide verlangen harte Arbeit. Als Profisportler hat man weniger Zeit für das soziale Leben, ich befand mich oft im Schwimmbecken, beim Training oder in Trainingsla- gern. Im Modebereich hat man meiner Meinung nach mehr Gelegenheiten, andere Menschen zu treffen. Beim Schwimmen ist man isolierter.
Du liebst Mode, hast jedoch gerade auch deine eigene NGO gegründet. Wie verbindest du diese unterschiedlichen Themen?
Die Foundation basiert auf meiner persönlichen Geschichte und den Erfahrungen, die ich durchgemacht habe. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich das Glück, großartige Menschen kennenzulernen. Sie halfen mir, meine Träume am Leben zu erhalten und meine Ziele zu erreichen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 hat mein Leben verändert und mir eine Stimme gegeben, die ich bis heute nutze. Im Juni 2023 war es endlich so weit – die Idee dazu hatte ich bereits vor vielen Jahren. Wenn meine Modemarke erst einmal etabliert ist, wird ein Teil des Gewinns sicherlich auch der Foundation zugutekommen. Ich habe verschiedene Ideen, wie ich beides miteinander verknüpfen kann, nicht nur finanziell.
Was genau setzt du in deiner Foundation um?
Mein Fokus liegt auf Bildung und der Förderung des Sports. Beides kann Flücht- lingen eine Perspektive bieten. Als ich nach Deutschland kam, ermöglichte mir das Schwimmen an den Olympischen Spielen teilzunehmen und eine Stimme zu bekommen. Wenn Kinder Schwimmen oder Fußball spielen lernen, haben sie die Möglichkeit, ein Stipendium zu erhalten und einen Pass zu bekommen. Wenn du in einem Flüchtlingsheim sitzt und keinen Zugang zur Bildung hast, ist das schlichtweg unfair.
Welche größten Herausforderungen siehst du?
Die Vorgaben der Regierungen! Ich frage mich beispielsweise: Warum gibt es keinen sicheren Grenzübertritt für Flüchtlinge? Jeder sollte meiner Meinung nach das Recht haben, sicher eine Grenze überqueren zu können. Natürlich stelle ich mir auch die Frage: Treffe ich die richtigen Entscheidungen? Ich bin erst 25 Jahre alt, dies ist meine erste Stiftung, und ich lerne immer noch. Ich entwickle mich kontinuierlich weiter und bin offen für alles, was kommt.
Du hast bereits viel erreicht – zu wem schaust du auf?
Vor allem schaue ich zu meiner Familie auf, sie war immer unglaublich stark. Mein Vater war ebenfalls Schwimmer, konnte jedoch aufgrund der begrenzten Jobmög- lichkeiten im Sport keine Karriere verfolgen. Er hat hart gearbeitet, um mir und meiner Schwester alles zu ermöglichen. Es gibt jedoch viele Menschen, die mich inspirieren. Einen einzigen Namen zu nennen, fällt schwer – diese Auswahl ändert sich täglich. Es könnte Malala (die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai; Anm. d. R.) sein oder einfach ein kleines Kind auf der Straße. Das Wichtigste ist, eine positive Perspektive zu bewahren und das Beste aus jeder Situation zu machen.
Was empfindest du heute beim Schwimmen?
Für mich ist es ein „sicherer Ort“. Selbst wenn ich einmal in Rente bin, werde ich weiterhin schwimmen. Ich habe gelernt, es als meine Zuflucht zu nutzen. Wenn ich traurig bin, schwimme ich schneller, um das Gefühl loszuwerden. Schwimmen ist meine Flucht vor Traurigkeit, Angst und Schwierigkeiten. Es ist wie ein Ausweg. Wenn ich mit Wasser in Berührung komme, verspüre ich sofort Glück – und das trotz meiner Geschichte und allem, was passiert ist. Ich bin dankbar, eine Schwimmerin zu sein und sowohl auf das vorbereitet gewesen zu sein, was kommen mag, als auch die Stärke zu besitzen, weiterhin voranzugehen.