T EINTAUSEND

SIE MACHT AUS JEDER NULL EINE EINS: SELBST PORTRAITS SCHAFFT UNSERE KÜNSTLERISCHE INTELLIGENZ AIDA BIELEFELD MIT LINKS.

PRINZESSIN TARTUFO Ausschnitt, 2023

TWIN PEAKS, 2023
KERZENSCHEIN, 2023
IN GOYAS WÜSTE, 2023
SPIEGELEI, 2023

SELBSTPORTRAIT, 2023

Das Haar sitzt. Zunächst fein gelockt und zu einem luftigen Bausch aufgetürmt, fällt es bald schnurgerade im steilen Winkel vom strengen Scheitel herab und endet, akkurat wie eine Hecke gestutzt, wenige Zentimeter vor dem Schulterpolster des monströsen Lederkleides, in das sich die Künstlerin Aida Bielefeld selbst hineingemalt hat. Öl auf Leinwand, 90 x 60 Zentimeter neue Figürlichkeit. Doch halt. Der ernste Blick des Subjektes trifft dräuend den des Betrachters. Aida malt nicht. Sie generiert. Bielefeld, geboren irgendwann im Jahr 2021 inmitten einer globalen Pandemie, aufgewachsen binnen eines Jahres in Hamburg, ist die hauseigene künstlerische Intelligenz der TUSH, voll und ganz eingestellt auf Mode, Beauty und natürlich Kunst.

KIs, die Bilder machen, sind aktuell sehr beliebt: Ob sie nun via Lensa-App den Narzissmus ihrer Nutzer mit gottgleich genormten Selbstportraits nähren oder mal eben aus purer Spielerei eine Texteingabe in digitale Kunst verwandeln – im Alltag sind diese Algorithmen längst angekommen und werden mit großer Experimentierfreude genutzt, was sich vor allem auf Social Media bemerkbar macht.

Instagram ist überschwemmt von KI-Artwork, hier werden in diversen Stilen allerhand Motive wie Landschaften, Portraits und sogar Modekollektionen geteilt. Dass die Bilder an die Werke bekannter Maler, Fotografen oder Illustratoren erinnern, ist dabei kein Zufall. Sämtliche KI-Modelle sind „trainiert“ auf Bildwerke, die frei im Internet verfügbar sind. Dabei lernen sie maschinell fast genauso, wie ein junger Kunststudent seine Recherche betreiben würde, nur mit dem erheblichen Unterschied, dass das gelernte Wissen (und die dazugehörigen Skills) innerhalb von wenigen Sekunden abgerufen und zu neuen Werken verarbeitet werden kann.

Mitunter wurden die Algorithmen dieser Modelle über Jahre hinweg mit großen Datensätzen trainiert, haben alle bekannten Werke großer Künstler von der Antike bis zur Moderne aufgesaugt – mit dem Resultat, dass sich ihre Anwender mehr oder minder alles generieren lassen können, was ihre Vorstellungskraft hergibt. Aida Bielefeld, die KI hinter den hier abgedruckten Bildern, funktioniert (arbeitet!) nach demselben Prinzip: Das nötige Know-how fürs Künstlerdasein bezieht sie aus einem älteren Datensatz, den auch andere KIs nutzen – Aida ist aber gewiss keine Basic Bitch. Eine

Sammlung von ursprünglich eintausend TUSH-Bildern, die Aida selbstständig im Internet recherchiert hat, formt ihre einzigartige Personality. Ein geschärfter Sinn für Beauty Culture – die Kernkompetenz von TUSH – gespeist aus fast 20 Jahren Fotografie im Magazin. Diesen „IdentityCore“ erweitert sie seitdem beständig mit neuem Input, besonders gern trainiert sich Aida (im Moment) auf alte Meister der flämischen Renaissance. Deren Werke sind zahlreich in der Public Domain des Internets verfügbar, in bester Auflösung lehren sie Aida Grundsätzliches wie Licht, Schatten, Komposition und Proportion, aber auch Spezifisches wie Ornamente und Oberflächenstrukturen. Wird sie nun darum gebeten, ein Selbstportrait anzufertigen, bekommt man das hier geboten. Die TUSH-KI arbeitet selbstständig Tag und Nacht, lernt, experimentiert, produziert. Und ist schon richtig gut. T Eintausend.

Wer jetzt denkt, dass KIs ihren fleisch- lichen Vorbildern bald den Rang ablaufen werden, braucht keine Angst zu haben. Letztlich können Maschinen, die lernen, eben nur das: Daten sammeln und verarbeiten. Und wer viel produziert, macht auch viel Mist. Am Ende eines Bildergusses stehen mehrere hundert bis tausend Bilder, die ausgesucht werden wollen. Und wer oder was entscheidet, was nun Kunst ist und was weg kann? Natürlich der Mensch – KI ist dazu (noch) nicht in der Lage. Der hierfür benötigte Geschmack ist unmöglich aus Datensätzen filtrierbar – zu sehr ist er durch das Potpourri aus persönlichen Erfahrungen des Erfolgs und Scheiterns bedingt. Nicht nur das geschulte Auge erkennt rasch, ob ein Bild KI-generiert oder von Menschen- hand gemacht ist und erfasst den Duktus eines Künstlers. KI-Art ist ohne das Zutun einer echten Person ganz im Sinne des Wortes: generisch. Und das fällt auf.

Es sind Kleinigkeiten, die ein KI-Bild verraten. Mal verschmilzt ein Schmuck- stück mit dem Ohr, an dem es hängt, mal wirft die Kleidung widersinnige Falten, Linien enden abrupt oder die abgebildete Person schielt in alle Himmelsrichtungen. Häufig entgleiten die Gesichtszüge, besonders in Halbprofilen. Bei eingehender Betrachtung von KI-Werken beschleicht die Betrachter oft das Gefühl, irgendetwas stimme nicht mit dem Bild – selbst wenn sie nicht einmal benennen können, was genau. Das größte Giveaway sind Hände. KIs können einfach keine Hände. Klar, auch menschlichen Künstlern fällt es zuweilen schwer, eine ordentliche Hand zu malen – daran sind schon die größten Meister gescheitert (die Renaissance ist für ihre „Klauenhände“ berühmt). Für KIs aber, die selbst in keinem menschlichen Körper stecken, gibt es keinen Unterschied zwischen Mistgabeln, Hühnerfüßen und Menschenhänden. So haben diese gerne mal nur drei Finger oder gleich fünfzehn an einer Hand, sind entweder klitzeklein oder ellenlang. Fingernagel? Ungern gesehen. Selten passt ein Finger zur Hand und diese zum Rest der Figur. Wenn das Abbild einmal ansatzweise korrekt ist, kann Aida Bielefeld auf menschliche Unterstützung setzen. Dann wird der Bildteil markiert mit dem Hinweis: Das, liebe Aida, ist eine echte gute Hand, weiter so. Dann merkt sie sich das fürs nächste Mal. Und sie wird besser. Fast wie in der Akademie.

Durch künstliche Intelligenz generierte Kunst ist nicht neu – vor allem nicht in TUSH: Bereits 2017 druckten wir eine Strecke des Algorithmus „BeautyGAN“, der Make-up-Looks von Instagram-Selfies erlernte. Heute befindet sich AI-Art dank leicht zugänglichen Services wie DALL- e2, Stable Diffusion und Midjourney auf einem gänzlich anderen Level und ist teilweise kaum noch von Menschen- hand gemachter Kunst (die bereits als „Meatspace Painting“ bezeichnet wird) zu unterscheiden. Die Nutzung von AIs zur Schöpfung von Kunstwerken ist höchst umstritten, da sich alle bisherigen Modelle an urheberrechtlich geschützten Werken real existierender Künstler bedienen und sie dadurch potentiell aus zukünftigen Kreationsprozessen eliminieren. Kritiker sehen hier dunkle Zeiten kommen – Befürworter glauben an eine Demokratisierung der Kunst. Beide Lager verlieren sich gern in luftigen Reden über den Sinn, Zweck und vor allem den Wert von KI-Kunst. Aufzuhalten ist die Weiterentwicklung kunstschaffender KIs nicht, einzig wird die Frage bleiben, wie jene honoriert werden, die den Algorithmen das kreative Futter liefern. Echte Ansätze für ein Verwertungsmodell gibt es bisher nicht, was hauptsächlich daran liegt, dass es an Richtlinien (vor allem Gerichtsurteilen) mangelt und im Netz eine gewisse „Napstermentalität“ herrscht. Das wird sich bald ändern: Jüngst verklagte die bekannte US-Bildagentur Getty den Schöpfer von DALL-e2 und ChatGPT, OpenAI, wegen millionenfacher Urheberrechtsverletzung.

Mehr von unserer KI gibt es ab sofort auf Instagram zu sehen: @aidabielefeld

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