Bodies of Work

links calling on the moon, 2017 / vorne so it is a lover who bubbles and who foams, 2017 / rechts you've eanywhere but here, 2017

opting out, 2018

drifting into exactitude, such soon speading gear, 2019
waiting for the best of all impossible worlds, 2019

Watching the secretive whispers fade away

Auf den ersten Blick scheinen die Figuren schwach zu sein: Nackt und schutzlos zerfließen die Konturen; ineinander und von der Schwerkraft nach unten gezogen, amorph wie eine vergossene Flüssigkeit. Posen werden zu Flecken, der Mensch zu einer Lache. Verlangen, Aufgabe und Hingebung. Monika Grabuschnigg hat sich dem Körper – und der Lust daran – verschrieben. „Die Welt scheint sich für nichts anderes als an der Onanie zu interessieren“, behauptete schon Sigmund Freud 1912 in seinem Schlusswort zur „Onanie-Diskussion“ der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und machte damit ein jahrhundertealtes Tabu zu einem zumindest in der oberen Gesellschaftsschicht auch medizinisch diskutierten Thema.

Freuds Zeitgenossen aus der österreichischen Hauptstadt – Gustav Klimt, Oskar Kokoschka und Egon Schiele –widmeten sich dem sexuellen Verlangen von einer künstlerischen – und männlichen – Perspektive. Damals galt es als Fakt, dass die fortschreitende Industrialisierung der westlichen Welt auch für die Verrohung ihrer Gesellschaft verantwortlich ist. Sitte, Anstand und Moral, das Zaumzeug der Gottesfürchtigen, vom Motor des Fortschritts hinweggefegt – dabei reagierte die Kunst mit einer neuen Fleischlichkeit auf die zunehmende Dehumanisierung der Welt. Und heute?

lost in onism, 2018

Diskutieren wir in FaceTime über die Vorzüge von Virtual-Reality-Porn. Manchmal scheint es, als suchte der Mensch von heute nur noch nach Mitteln und Wegen, weder das Haus verlassen noch seinen Mitmenschen begegnen zu müssen. Digitalität, die maximale Abkapselung von jeder Körperlichkeit, ist die Dampfmaschine von heute. Auch und vor allem in der Kunst kommt diese Absurdität immer mehr zum Vorschein: Die Versteigerung von JPEGs und downloadbaren, de facto nur als Datensatz existenten Skulpturen – dem Sammler zur Ansicht auf dem Smartphone bestimmt – ist längst kein Marketing-Gag mehr.

Monika Grabuschnigg macht mit ihren Arbeiten den bewussten Unterschied. Obwohl sich das Werk der 1987 in Österreich geborenen Künstlerin (sie studierte in Wien, Jerusalem und Santiago de Chile) thematisch, ästhetisch und besonders im Medium unterscheidet, steht Körperlichkeit stets im Vordergrund. Von Papier über keramische Reliefs hin zu überdimensionierten Tonskulpturen wird der menschliche Leib definiert und dekliniert. Sie selbst beschreibt ihre Bilder und Skulpturen auf ihrer Website als „intensiv körperlich“, und in der Tat zeugen bereits die Zeichnungen auf Papier von einer emotional-sexuellen, taktilen Intimität, die von den glasierten, fleischfarbenen Reliefs weiter in eine erfahrbare Realität transportiert wird und schließlich als „ausgewachsene“ Skulptur wasserspeiend zur Interaktion einlädt. Die teils mystisch-poetisch, geradezu philosophisch anmutenden Titel evozieren jene emotionale Nähe, die unser tägliches, digitales Leben so oft vermissen lässt. Die facettenreiche Narrative der Arbeiten Grabuschniggs ist fast schon provokativ – leben wir doch in einer Zeit, in der man glaubt, Beziehungen genauso mühelos beenden zu können, wie sich von einem Newsletter abzumelden.

Monika Grabuschnigg lebt und arbeitet in Berlin.

Artwork: Monika Grabuschnigg

Text: Hedi Xandt

Foto: Anastasia Munen, Asaf Oren, Pedro Carnicer Orueta, David Schönen

Mit freundlicher Genehmigung von Carbon 12 und Reiter Leipzig/Berlin

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