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Unsere Autorin Kiki Roloff und Content Creator Melina Sophie lernen sich vor mehr als 10 Jahren in ihrer Heimatstadt Minden kennen – noch bevor Melina 2013 ihren Youtube-Kanal „LifeWithMelina“ eröffnet und zu einer Zeit, in der noch niemand ahnt, wohin diese Entertainment Videos wie Vlogs und Challenges sie einmal führen würden. Schon bald wird sie ein Teil von Deutschlands erfolgreichster Videocreatorgang rund um ApeCrime, Simon Desue, Dagi Bee, Liont, Shirin David, Paola Maria, Luna Darko, Julien Bam und DieAussenseiter. Das Leben im Rampenlicht kann Melina bald nicht mehr genießen. Nach ihrem ersten Versuch Abstand zu gewinnen und nach Island auszuwandern, entscheidet sie sich zwar für eine Rückkehr nach Deutschland, aber auch für einen totalen Rückzug aus der Öffentlichkeit im Dezember 2021. Als Grund nennt sie Depressionen. Kiki und Melina treffen sich kurz vor dem großen Comeback der Jetzt-Wieder-Creatorin zum Interview in den TUSH Studios in Hamburg. Das über zweistündige Gespräch wird zu einem Rückblick auf die vergangenen Jahre, zu einem Ausblick auf das, was kommt – und zu einem Einblick in Melinas Vision Board.

Throwback ins Jahr 2021: Warum hast du dich damals entschieden aufzuhören? Von außen betrachtet hast du deinen Traum gelebt..
Das ist das Schwierige bei Depressionen. Du denkst, dass du alles erreicht hast, was du dir immer gewünscht hast, kannst aber trotzdem nicht glücklich sein. Ich habe mit 18 angefangen und sehr prägende Jahre meiner Entwicklung in der Öffentlichkeit gelebt. Alles ging schnell und war super aufregend. Wenn man so viel Liebe und Aufmerksamkeit bekommt, wird man auf gewisse Art und Weise süchtig danach. Teilweise bewusst, größtenteils aber unbewusst, verhältst du dich so, dass es auch so bleibt. Es gibt ja diverse Forschungen darüber, dass Social Media die Dopaminausschüttung im Gehirn genauso beeinflusst wie der Konsum von manchen Drogen. Rückblickend würde ich die Zeit sogar als eine Art Rausch beschreiben. Ich habe mich nur noch von der Branche leiten lassen und teilweise Trends mitgemacht, auf die ich eigentlich keine Lust hatte, nur um relevant zu bleiben. Ich habe mich auch sehr viel mit anderen verglichen und hatte das Gefühl, alle machen alles viel besser als ich. Ich habe mich selbst verloren und bin dadurch mit Vollgas in die Depression gesteuert. Ich war deswegen lange in Therapie und habe währenddessen Social Media erstmal pausiert – und gemerkt, dass mir das nicht reicht. Ich wollte herausfinden, wer ich bin, ohne die ganzen Augen und Ohren, die auf mich gerichtet sind. Dieser Cut war mehr als notwendig. Für mich war es Erleichterung pur, als ich mein letztes Video hochgeladen habe.

War es für dich ein endgültiger Cut oder hast du immer im Hinterkopf gehabt, dass es nur eine Pause sein könnte?
Ich bin zweieinhhalb Jahre wirklich davon ausgegangen, dass die Entscheidung endgültig ist. Ich habe meinen Instagram Account mit knapp 4 Mio Followern gelöscht, weil es für mich zu dem Zeitpunkt wirklich ausgeschlossen war, dass ich den Account nochmal nutzen würde. Das war auch entscheidend für mich, um komplett loslassen zu können.

Wie war dein Verhältnis zum Internet während deiner Auszeit? Hast du verfolgt, was die anderen deiner früheren Youtube-Friends gemacht haben?
Ich habe unter einem Stein gelebt und tue es teilweise immer noch. Social Media wurde für mich zu einer rein privaten Plattform, um Freundschaften aufrechtzuerhalten und mit Bekannten Kontakt zu halten. Ich konnte nicht einmal Fernsehshows gucken, mit Auftritten von Leuten, die ich aus meiner Zeit in der Öffentlichkeit kannte – für mich hat sich das sonst noch viel zu nah angefühlt. Ich brauchte diesen Abstand.

Was hat dich während dieser Zeit am meisten geprägt?
Was mich geprägt hat, war vor allem das „echte“ Leben. Es waren die simplen Momente mit Friends und meiner Familie, die mich verändert haben: Fernsehabende, Essen gehen, langes Gassigehen. Ganz viel Entspannung und ganz viele Gespräche. Als ich mit 18 in das Business eingestiegen bin, habe ich meine Heimat verlassen, ohne darüber nachzudenken. Ich habe das Gefühl, dadurch im Privatleben viel verpasst zu haben. All‘ diese verlorene Zeit habe ich in den zweieinhalb Jahren meiner Pause nachgeholt.

Warum hast du dich wieder für die Content Creation entschieden, obwohl es gute Gründe gab aufzuhören und du ja auch ohne all das sehr glücklich warst?
Nach dieser langen Auszeit und intensiver Therapie habe ich mir die Fähigkeiten erarbeitet, die es braucht, um diesen Job zu machen. Als ich aus der Öffentlichkeit ausgetreten bin, konnte ich erstmal nichts Neues anfangen. Ich war komplett ausgelaugt. Irgendwann wurde mir aber langweilig. Dann habe ich mich für die Fitnesstrainer B Lizenz angemeldet. Zwischendurch kam mir immer wieder der von der Gesellschaft eingeflößte Gedanke „Ich muss doch etwas `Richtiges´ in der Tasche haben“. Ich habe dann ein dreiviertel Jahr eine Ausbildung als Ergotherapeutin begonnen, um Menschen zu helfen, die ihren Alltag nicht selbstständig bewältigen können. Leider hat mir das Schulumfeld nicht gefallen. Ich bin außerdem furchtbar schlecht im Theorie Lernen. Irgendwann macht mein Kopf einfach zu und ich komme nicht mehr weiter. Ich habe mich gefragt, was mit mir nicht stimmt und warum ich so viele Dinge probiere und nichts davon durchziehen kann. Wenn es mir so viel Spaß macht, sollte ich es doch lernen können, oder? Meine Kreativität konnte ich dabei nur leider auch gar nicht ausleben. Bei einem Jobcoaching haben wir herausgefunden, wo meine wahren Stärken liegen, und meine Therapeutin sagte: „Melina, weißt du was? Vielleicht war der erste Job, den du hattest, gar nicht so schlecht. Die Rahmenbedingungen haben vielleicht nur nicht gestimmt.“

Dann verdanken wir ihr also dein Comeback. Was für Stärken habt ihr genau aufgelistet?
Ich bin eine Rampensau. Das wird oft nicht positiv aufgefasst, aber ich sehe es so, dass ich einfach Lust habe, gute Stimmung zu verbreiten und jeden Raum zu erhellen. Ich liebe es, andere zum Lachen zu bringen. Das kommt für mich sehr natürlich. Ich muss mich dafür nicht anstrengen. Ich bin dazu ein absolut kreativer Mensch und mir fällt es sehr leicht, mir Konzepte und Formate auszudenken und sie auch komplett umzusetzen. Fotografie und Videos drehen und schneiden liegen mir auch extrem. Das ist genau der Grund, warum ich damals mit YouTube angefangen habe. Außerdem kann ich Leuten einfach Frikadellen ans Bein labern, ohne dass es mir Probleme bereitet. (lacht)

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Was sollte sich an dem System Social Media verändern?
Das System Social Media bietet super viele positive Seiten, die ich auf keinen Fall verteufeln oder missen möchte. Sonst würde ich damit auch nicht wieder starten. Ich glaube, dass man das von zwei Seiten betrachten muss. Zum einen ist es wichtig, vor allem jüngeren Kids Tools an die Hand zu geben, um mit den sozialen Medien umgehen zu können, wie z.B. mit dem potentiellen Druck oder der Schnelligkeit oder der Flut an Informationen.
An den sozialen Medien selbst würde ich persönlich zuerst gerne die Anonymität ändern. Ich glaube, dass sich viele Themen und Probleme lösen würden, wenn nachvollziehbar wäre, wer was postet oder kommentiert. Viele sprechen auch darüber, Likes abzuschalten. Ehrlicherweise glaube ich, dass das eher wenig bringt und man dann stattdessen nach etwas anderem suchen würde, um sich vergleichen zu können. Was man aber nicht vergessen darf: Social Media lebt von denjenigen, die es nutzen. Vielleicht müsste sich ja auch generell etwas am “System Mensch” ändern, damit sich etwas am System Social Media verändern kann?

Wie möchtest du deine Verantwortung den Fans gegenüber, die mit einer so großen Reichweite und damit auch großem Einfluss einhergeht, nutzen?
Ich möchte ein positives Beispiel und hoffentlich eine Inspiration dafür sein, das Leben selbstbestimmt zu gestalten und sich nicht einfach nur danach zu richten, was andere von einem erwarten. Sondern mutig zu sein, Neues auszuprobieren und eigene Wege zu gehen oder Grenzen zu setzen, wenn es notwendig ist. Ich möchte andere unterhalten und so zu einem positiven Moment des Tages von jemandem beitragen. Ich bin ein ganz normaler Mensch, mit ganz normalen Herausforderungen und ich glaube, dass meine echten und realen Themen eine Inspiration oder Hilfe für andere sein können, weil man dann weiß, dass man damit nicht allein ist. In der Vergangenheit ging es in Bezug auf Verantwortung häufig um meine Sexualität. Ich habe mit meinem öffentlichen Coming Out viel Aufmerksamkeit generiert und dadurch anderen Mut gemacht, selbst den Schritt zu wagen. Das war damals nicht bewusst geplant, sondern einfach ein echter Teil meines Lebens.

Kannst du mit deinem Comeback die Aussage bestätigen „Ja, Fame macht auf eine Art glücklich, deswegen will ich es zurück“?
Ganz klar, nein. Ich war vielleicht auf der Karriereleiter sehr weit oben, aber mental noch nie so weit unten. An diesem Punkt war mir Erfolg komplett egal. Nach dem Ausstieg aus der Öffentlichkeit kam im privaten Umfeld oft die Frage: „Aber du hast so viel Geld verdient. Wieso warst du dann unglücklich?“ Ich frage zurück: Was willst du mit Geld, wenn es dir gesundheitlich nicht gut geht? Was bringt dir das Geld? Finanzielle Sicherheit ist natürlich nicht unwichtig, aber sie heißt nicht automatisch, dass du glücklich bist.

Inwiefern gibt es dir Seelenfrieden zu wissen, dass so ein „Verschwinden“ möglich ist?
In erster Linie gibt es mir Seelenfrieden, dass ich einfach besser mit mir selbst umgehen kann und weiß – und auch mittlerweile klar sagen kann – was ich möchte und was ich nicht möchte. Ich habe mehr Kontrolle in dem ganzen Game und ein Team hinter mir, dem ich vertraue und mit dem ich mir alles neu zusammen aufbaue.

Wie wird sich dein Content dadurch zu früher verändern?
Ich bin ein bisschen älter geworden und habe natürlich auch ganz andere Interessen als früher. Ich möchte mich ausprobieren und eigentlich alles machen, was mir Spaß macht z.B. auch mehr Fashion Content. Vor allem aber plane ich ein Format namens „Melinas erstes Mal“. Das hätte ich damals schon super gerne umgesetzt, aber ich war an dem Punkt zu ausgelaugt. Ich filme mich nicht mehr selbst, sondern werde von einem Kameramann begleitet. Ich mache in diesen Videos meine Neugierde zum Inhalt und versuche diverse Dinge zum ersten Mal – auf meine eigene Art. In der Pilotfolge teste ich zum Beispiel Reformer Pilates. Ich werde jetzt auf keine Trends mehr hören, sondern mein Ding durchziehen – auch, wenn das vielleicht nicht so erfolgreich werden könnte. Wichtig ist mir auch, mir selbst keine Limits zu setzen oder mir unnötig Druck zu machen. Kreativität funktioniert am besten spontan.

Das passt auch perfekt zum Titel deines neuen Podcasts „Geplant Spontan“. Es gibt mittlerweile so viele Podcasts. Warum hat dieser noch gefehlt?
Das habe ich mich auch gefragt. Warum braucht die Welt ausgerechnet noch einen Podcast von mir? Und dann habe ich mir gedacht: Warum wird ein Podcast nicht so gesehen wie ein Instagram Profil? Es hat auch jeder Instagram. Wer sagt denn: „Warum noch ein Instaprofil?“ Niemand. Ich liebe Podcasts und höre selbst super viele. Sie sind so persönlich, weil du direkt die Stimme auf den Ohren hast und sie überall mit hinnehmen kannst. Vor einiger Zeit war ich in einem Podcast einer Freundin zu Gast und wir hatten ein so schönes, ausführliches und intimes Gespräch. Ich habe mich in dem Rahmen einfach sehr wohl und vor allem sicher gefühlt. Als ich über das Thema Rückkehr zu Social Media nachgedacht habe, wollte ich unbedingt auch einen Podcast machen, weil man viel mehr in die Tiefe gehen kann.

Hast du Angst davor, mit deinen neuen Projekten zu scheitern?
Ich wünschte, ich könnte jetzt sagen „Nö“, aber ich muss auch ehrlich sein und sagen, dass diese Sorge da ist. Aber wie definiert man “scheitern” in diesem Fall? Mir ist es in erster Linie wichtig, das in die Welt hinauszutragen, was mir so im Kopf rumschwirrt und eine Message zu hinterlassen. Ich will vor allem eins: Menschen entertainen. Das kann auf den unterschiedlichsten Plattformen sein, vielleicht sogar mal im Fernsehen. Falls das niemand sehen will, hatte ich immerhin meine Freude am kreativen Prozess und dann ist das auch in Ordnung. Ich versuche allgemein, mehr positiv zu denken.

Wie arbeitest du daran?
Es ist noch so tief evolutionär in unseren Gehirnen verankert immer Gefahren abzuwägen, um unser Überleben zu sichern. Was mir sehr dabei hilft, positives Denken zu trainieren ist tatsächlich – und das klingt jetzt so Klischee – am Ende des Tages drei Dinge aufzuschreiben, für die ich dankbar bin. Das hat den einfachen Hintergrund, dass unsere Gehirne sowieso schon in die negative Richtung gepolt sind, und dass du dein Gehirn so ein bisschen neu trainieren kannst. Jetzt denke ich mir also einfach mal nicht „Was ist wenn ich scheitere?“, sondern „Was ist, wenn es klappt?“

Ansage! Talking Looks: Du hattest schon viele unterschiedliche Hairstyles z.B. blaue, platinblonde oder komplett abrasierte Haare. Wie willst du dich zukünftig präsentieren?
Früher habe ich in Sachen Haar alles ausprobiert. Ich habe mich mit meinem jetzigen Look total gefunden: Lang und Rötlich/Kupfer ist die Länge und Farbe, mit der ich mich mit Abstand am wohlsten fühle. Früher hätte ich das niemals gedacht, da ich mich selbst gar nicht bis wenig schminke, aber für Fotoshootings wäre ich jetzt auch offen für eine komplette Verwandlung.

Das merken wir uns… Arbeitest du mit so etwas wie Vision Boards, um herauszufinden und auch festzulegen, wie du dich in Zukunft siehst?
Auf jeden Fall. Ich arbeite viel mit Pinterest, so habe ich auch den jetzigen Hairstyle für mich entdeckt. Dadurch, dass ich in Sachen Mode gerade einiges probieren will, liebe ich solche Vision Boards. Erst kürzlich bei diesem Shooting (siehe Fotos) habe ich gemerkt, dass es nicht immer die baggy Hosen mit engem Oberteil sein müssen, sondern es auch ruhig mal Röcke sein dürfen. (lacht)

Ausschnitte aus Melinas Pinterest Moodboard

Zum Schluss: Welchen Ratschlag hättest du dir gewünscht, den du heute anderen Creatoren geben möchtest?
Es geht nicht darum, jeden Trend mitzumachen, um dadurch eine maximale Reichweite aufzubauen. Es ist viel besser, mit dem, was ihr gerne macht, genau die Personen zu erreichen, die sich für dasselbe begeistern wie ihr. Das fühlt sich viel besser an!
Erinnert euch immer zurück: „Warum habe ich das Ganze gestartet?“ Wir haben alle mal aus Spaß angefangen. Und diesen Spaß habe auch ich jetzt endlich wiedergefunden.

Wir sind gespannt auf das, was ab jetzt von dir kommt!

Words & Interview: Kiki Roloff
Photos: Jeremy Möller
Hair & Make Up: Vanessa Lichtenwald
Styling: Meret Scheppach
Styling Assistance: Sara Lorenz

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