PAM PUCK als LITTLE WOLF, 2022
PAM PUCK als LITTLE WOLF, 2022
VOM LANDARBEITER ZUM KÜNSTLER, WIE IST DAS PASSIERT?
Das war keine aktive Entscheidung, sondern einfach die Art, wie ich geschaffen bin. Ein Zwang sozusagen. Ich wurde bekannt für die künstlerischen Schnörkel, die ich bei meiner Arbeit in alltägliche Bauprojekte integrierte. In meiner Freizeit habe ich dann noch kleine Holzschnitzereien gemacht, aus der Mischung wuchs meine Bildhauerpraxis. Eines meiner ersten Projekte war eine Reihe von Holzkisten, die wie Gesichter aussahen. Sie waren hohl und praktisch, was das Reisen erleichterte. Da hat für mich eigentlich alles angefangen. Als ich von Frankreich in die USA gezogen bin, hatte ich zum ersten Mal einen eigenen Raum. Es war nicht viel – nur ein sehr kleines Gästezimmer – aber dort habe ich angefangen, die großen Filzskulpturen zu machen. Vorher konnte ich nur Dinge schaffen, die ich in meinem Rucksack mit mir tragen konnte.
IN WELCHES GENRE WÜRDEST DU DICH SELBST EINORDNEN?
Ich glaube, ich werde von anderen Leuten oft in die Kategorie Pop-Surrealismus gesteckt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem vollständig zustimmen würde, aber es ist mir nicht wichtig. Ich versuche in meinen Skulpturen einen Platz zu finden, der Schönheit und Hässlichkeit vereint. Ich möchte einen Ort schaffen, an dem beides nebeneinander existieren kann. Das Gefühl, etwas gleichzeitig Einla- dendes und Abstoßendes zu haben, ist für mich ähnlich wie die Träume, die mich oft zu meiner Arbeit inspirieren.
WAS TREIBT DEINEN KREATIVEN GEIST NOCH AN?
Es kann wirklich alles sein. Träume spielen bei mir eine große Rolle, daher ist es schwierig, diese zu ursprünglichen Quellen zurückzuverfolgen. Einfach mal träumen oder die Seele baumeln lassen, ist auch ein guter Anfang für mich. Ich habe oft wenig bis keine Ahnung, woher eine Idee wirklich kommt. Manchmal entwickelt sie sich langsam. Oder taucht plötzlich in meinem Kopf auf, voll ausge- bildet, aus dem Nichts. Sowohl meine Ideen als auch mein Herstellungsprozess werden aus Chaos geboren. Ich kann das jetzt besser auf natürliche Weise geschehen lassen. Denn früher habe ich um mehr Kontrolle gekämpft. Heute bin ich glücklicher, habe mehr Vertrauen in mich selbst und überdenke den kreativen Prozess nicht zu sehr. Ich muss es nicht verstehen oder kontrollieren. Es ist so, als würde ich durch den Wald nach Hause finden. Die Route mag jedes Mal anders sein, aber irgendwie hat man eine Vorstel- lung davon, wie man sich zurechtfindet. Es ist ein Instinkt, dem man vertrauen muss, und dieser eigensinnige Weg vertieft dein Wissen über den Wald.
WIR SEHEN VIELE GESICHTER IN DEINER ARBEIT, WAS BEDEUTEN SIE FÜR DICH?
Ich denke, wir sind konzipiert, auf Gesichter zu reagieren – nicht nur, um uns zu verstehen und miteinander zu kommunizieren, sondern auch als Über- lebensmerkmal. Es ist besser, sehr auf Gesichter zu reagieren und welche zu sehen, wo keine sind, als die zu verpassen, die da sind. Ich denke, vielleicht reagiere ich ein biss- chen mehr als andere und neige dazu, die ganze Zeit viele Gesichter in Dingen zu sehen. Vielleicht ist mein Unterbewusst- sein einfach schlecht darin, Szenarien auf ihre Wahrscheinlichkeit zu überprüfen. Dieser Holzstumpf ist wahrscheinlich kein grinsender Gnom! In einer Welt voller Holzstümpfe, aber leider ohne Gnome, ist es aber meine Schlussfolgerung, zu der ich vorspringe. Vielleicht ist das Teil meines kreativen Prozesses.
DU MACHST KUNST AUS INTUITION, GIBT ES AUCH EINEN POLITISCHEN ASPEKT? WAS, DENKST DU, BRAUCHT DIE WELT GERADE JETZT?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich sagen kann, was die Welt gerade braucht. Ich kann aus meiner sehr kleinen Ecke der Welt melden, dass Künstler mehr Unter- stützung brauchen. Denn zwischen Lebenshaltungskosten und der KI-Kunst haben es viele Künstler schwerer denn je. Wenn Künstler einer bestimmten Rolle in der Gesellschaft nachkommen oder Verantwortung übernehmen sollen, dann hat auch die Gesellschaft ihre Verant- wortung zu erfüllen. Künstler sollten bedingungslos dabei unterstützt werden zu tun, zu sagen und zu visualisieren, was sie fühlen. Natürlich gibt es jede Menge politische Kunst, aber Kunst zu machen, ist auch ein politischer Akt an sich, das ist mehr als genug. Lasst uns tun, was wir können, um Künstlern dabei zu helfen zu tun, was sie tun. Und ihnen vertrauen, dass sie ihre eigene Stimme und ihren eigenen Weg finden.
WENN DU EINE SACHE ÄNDERN KÖNNTEST, WELCHE WÄRE DAS?
Ich werde das aus einer Utopie heraus beantworten, in der wir alle wichtigen Probleme gelöst haben, die unser Leben, den Planeten und unsere Beziehung zu uns selbst, anderen und zu unserer Umgebung betreffen. In dieser Utopie würde ich Hunden eine menschliche Lebensspanne verleihen!
UND IN DIESER UTOPIE GIBT DIR JEMAND UNBEGRENZTE RESSOURCEN, WAS WÜRDEST DU TUN?
Dann würde ich ein Dorf bauen, vielleicht irgendwo in den Pyrenäen. Es hätte eine seltsame Architektur im mittelalterlichen Stil mit allen möglichen Wasserspeiern und traumhaften Motiven. Wir würden unsere eigenen Frühlings- und Sommer- feste mit einer riesigen Auswahl an Kostümen veranstalten. Und wir würden im Herbst seltsame Kürbisse züchten und im Winter hoch aufragende Holzskulp- turen verbrennen.
WIE GEHT’S JETZT WEITER?
Ich arbeite zurzeit an einer großen Filzskulptur und bereite einige Arbeiten für eine Ausstellung am Ende des Jahres vor. Und ich werde die Frosch- Geldbörsen produzieren, die ich auf einigen meiner Fotos schon veröffent- licht habe.
Paolo Puck hat sich sein Handwerk, die Bildhauerei, eigenständig erobert. In Großbritannien geboren und aufge- wachsen, studierte er Illustration. Doch seine Leidenschaft war nie die zwei- dimensionale Kunst. Erst durch seine Arbeit als Landarbeiter auf Bauernhöfen hat er zu seinem Medium gefunden. Nach 10 Jahren in den USA ist er gerade nach Zagreb gezogen und widmet sich nun ausschließlich seinen Skulpturen.
THE VISITOR, 2016
ART DIRECTOR PAOLO PUCK
INTERVIEW SIMON RIEPE